Italienische Novellen, Band 3
schmutzigen Pfaden. Da sie nun volle Quersäcke trugen, wurden sie von Müdigkeit geplagt und konnten kaum noch ihre Schritte weiter führen. Als daher Arsenio den Esel sah, fiel ihm ein völlig neues Auskunftsmittel ein. Er wandte sich zu seinem Gesellschafter und sagte lachend: »Was würdest du zahlen, Teodelindo, wenn du das Tier bekämest, um dir diesen Quersack zu tragen?«
»Wahrhaftig«, antwortete dieser, »das käme mir jetzt gerade gelegen; ich kann fast nicht mehr weiter.«
»Nun sage mir, Bruder«, fügte der andere hinzu, »scheint es dir angemessen, daß ein rüstiges Lasttier in Ruhe und müßig dasteht, während wir, ermüdet, wie wir sind, zu Fuß diese Last nach unserer Einsiedelei schleppen sollen? Siehst du nicht, daß die göttliche Vorsehung selber uns auf diesen Esel hat stoßen lassen? Und wir wollen auch das Gute, das sie uns vorsetzt, nicht ausschlagen.«
Er trat zu dem Eselein hin, legte seinen Quersack auf seinen Rücken und forderte den andern Eremiten auf, das gleiche zu tun. Dann band er das Tier vom Baume los und zog ihm den Halfter ab, legte diesen dann um seinen eigenen Hals und band sich selbst hin in der Weise, wie früher das Lasttier angebunden gewesen war. Darauf wandte er sich zu Teodelindo und sprach: »Geh, Bruder, und bringe die Last in die Einsiedelei! Bist du dort, so sagst du dem ehrwürdigen Alten, ich sei vor Müdigkeit nicht mehr vorwärts gekommen und habe mich bei einem braven Manne einquartiert, der mich menschenfreundlich aufgenommen hat; dir habe er, damit du alles Brot mitnehmen könnest, freundlich diesen seinen Esel geliehen, den wir ihm künftige Woche, wenn wir wieder des Weges kehren, zurückbringen können. Was mich betrifft, so sagst du ihm, daß ich im Laufe des morgenden Tages mit Gottes Hilfe nachzukommen hoffe.«
Teodelindo kam die Sache so seltsam vor, daß er zu träumen glaubte; und wiewohl er von dem andern schon allerhand tolle Streiche gesehen hatte, so schien ihm doch dieser so ganz eigentümlich, daß er fürchtete, der arme Arsenio habe den Verstand verloren. Er sah ihm fest mit weit aufgerissenen Augen ins Gesicht und konnte nichts sagen und tun.
»Nun vorwärts«, fuhr jener halb erzürnt fort, »mache, daß du weiterkommst! Jede kleine Zögerung könnte unsere Sache verderben. Für mich laß du nur mich selber sorgen! Vielleicht steht mir dieser Halfter nicht so übel zu Gesichte, wie du glaubst. Ich habe dir mehr als einmal bewiesen, was ich durchzuführen imstande bin. Verlaß dich vollständig auf mich und tue, was ich dir aufgegeben habe!«
Er sprach dies mit solcher Entschlossenheit und Zuversicht, daß der andere sich sogleich fügte und sprach:
»Nun gut, da du es willst, will ich es tun. Denke du an das übrige!«
Er trieb das Eselein vor sich hin und ging weiter; und als er bei dem Einsiedel war, richtete er genau aus, was ihm sein Genosse aufgetragen hatte. Dem alten Eremiten tat es erst leid um Arsenio; doch kam er am Ende zu dem Schlüsse, da Gott die Dinge immer aufs beste lenke, müsse man sich in allen Stücken seiner Fürsorge fügen und müsse ihm danken, daß er dem mitleidigen Bauern ins Herz gegeben habe, einen so erschöpften Einsiedel aufzunehmen und dem andern seinen Esel zu leihen, damit schnell der Mundvorrat herbeigeschafft werden konnte, dessen er so sehr benötigt war.
Gianni hatte unterdessen sein Holz gesammelt und in kleine Bündel gebunden und verließ den Wald, um den Esel zu beladen. Als er nun einen Eremiten an seiner Stelle sah, rief er: »Herr Gott, steh mir bei!«
Er war ganz außer sich, die Haare standen ihm zu Berge, er schlug ein Kreuz und fürchtete alles Ernstes, es möchte eine Posse sein, die ihm der Teufel spiele. Aber er dachte wieder, des Teufels Großmutter hätte doch nicht die Gestalt eines frommen Einsiedlers angenommen, und so beruhigte er sich einigermaßen: doch ließ sein Erstaunen noch nicht nach, und er glaubte, er sei verrückt geworden. Als der Einsiedel die Verwunderung und das Entsetzen Giannis wahrnahm, hielt er mit Mühe das Lachen zurück; doch zügelte er sich und sprach zu dem braven Landmann: »Du wunderst dich höchlich, mein Sohn, über das, was du jetzt siehst, und du hast wohl Ursache dazu. Wie sehr wirst du dich aber nun erst wundern, wenn du hörst, was ich dir jetzt sagen will. Tritt zu mir ohne Furcht, mein Sohn! Hier ist nichts für dich zu fürchten, wiewohl wir unsern Herrn Gott sehr preisen und seine geheimen Gerichte bewundern dürfen. Du glaubtest
Weitere Kostenlose Bücher