Italienische Novellen, Band 3
Leidenschaftlichkeit seiner Seele durch Klugheit zügelte, dachte sich, die größte Strafe, die er ihm dafür geben könne, daß er einem Fürsten, wie er war, gegenüber die Treue gebrochen habe, bestünde darin, daß sein Betrug auf ihn, der ihn angezettelt habe, zurückfiele. Daher sagte er zu dem Habgierigen: »Warum erwähntet Ihr hier nicht die Dukaten, als Ihr um den Erlaß der Bekanntmachung batet?«
»Ich dachte nicht daran«, erwiderte Filargiro, »und vergaß es.«
»Seid Ihr so vergeßlich«, fuhr der Markgraf fort, »daß Ihr, für den die 40 Skudi Finderlohn eine so große Rolle spielen, Euch nicht erinnert habt, in Eurer Börse eine so große Anzahl Dukaten zu besitzen? Aber wie mir scheint, wollt Ihr Euch fremden Besitz aneignen: denn diese da ist nicht Eure Börse, da doch die Dukaten, von denen Ihr redet, sich nicht darin finden; vielmehr muß diese Börse diejenige sein, die einer von meinen Leuten an jenem selben Tage verlor, an dem Ihr die Eure verloren habt, und worin genau 400 Skudi waren, kein bißchen mehr, – und deswegen gehört dies Geld mir.«
Und so sprechend, wandte er sich an die alte Frau und sagte: »Liebe Frau, da Gott gewollt hat, daß Ihr dies Geld gefunden habt, und da dies nicht das Geld ist, das dieser Kaufmann verloren hat, sondern meines ist, so schenke ich es Euch, damit Ihr Eure Tochter verheiraten könnt. Wenn es zufällig geschehen sollte, daß Ihr eine andere Börse findet, in der zusammen mit den Skudi die Dukaten sich befinden, von denen er sagt, daß sie in seiner Börse steckten, so gebt sie ihm, ohne eine Kleinigkeit davon anzurühren!«
Die alte Frau dankte dem Markgrafen und versprach ihm, so zu tun, wie er ihr geboten hatte.
Der Kaufmann merkte, daß der Markgraf als kluger Mann seine Arglist durchschaut hatte und daß dadurch sein Betrug ihm zum Unheil ausgeschlagen war, und sagte: »Mein Herr, ich werde nicht verfehlen, die 40 Skudi dieser Dame zu geben; veranlaßt sie, mir die Börse zu geben!«
Darauf erwiderte ihm der Markgraf sehr heftig: »Ich weiß nicht, was mich davon abhält, aus dir den unzufriedensten Mann von der Welt zu machen: sehe ich dich doch so unverschämt, daß du willst, man solle dir das geben, was nicht dein Eigentum ist. Deshalb scher' dich hinweg und mach mich nicht zorniger, als ich schon bin! Wenn diese Dame deine Börse finden wird, wird sie sie dir geben.«
Filargiro wagte nicht ein einziges Wort zu erwidern und bereute zu spät, daß er das Versprechen brechen wollte, das er einen vornehmen Herrn durch öffentliche Bekanntmachung hatte versprechen lassen, und ging ganz betrübt von dannen. Aber die alte Frau sagte dem Markgrafen den größten Dank, der nur möglich war, und ging ganz vergnügt nach Hause, und in kurzem verheiratete sie ihre Tochter ehrenvoll auf die Kosten des Habgierigen.
Giovanni Battista Giraldi
Rinieri und Cicilia
Imola ward einst von eigenen Herren regiert, jetzt gehört es zum Gebiete der Kirche. Dort lebte vor Zeiten ein Edelmann namens Horatio, der mit Glücksgütern reichlich versehen und durch seine Liebenswürdigkeit in der ganzen Stadt beliebt war. Wiewohl er nun im Äußern milde schien, so zeigte er sich doch, sobald ihm eine Unbill widerfuhr, so entsetzlich, daß er seinen Zorn den Beleidiger schwer fühlen ließ. Dieser hatte nur eine einzige Tochter namens Cicilia, und diese war zu solcher Schönheit erwachsen, daß die Bewohner von Imola glaubten, sie sei die schönste Jungfrau des Landes. Der Ruf ihrer wunderbaren Schönheit verbreitete sich über alle Gaue der Romagna und kam auch einem Jüngling in Forli namens Rinieri zu Ohren, der nicht weniger schön war unter den Jünglingen, als Cicilia unter den Jungfrauen. Wie sehr ihn aber auch die Natur mit Körpergaben ausgestattet hatte, so karg war das Glück gegen ihn gewesen im Vergleich mit dem Vermögen Messere Horatios. Der Jüngling nahm sich so sehr die Schönheit des Mädchens zu Herzen, obwohl er sie nie gesehen hatte, daß er fühlte, es koste ihm das Leben. Alle, die von dort kamen, fragte er, ob sie Cicilia gesehen hätten und ob sie wirklich so schön sei. Jeder, der so glücklich gewesen war, sie zu sehen (denn nur selten ließ sie der Vater irgendwo sich zeigen), berichtete ihm, sie sei zum Verwundern schön; darum beschloß er, nach Imola zu gehen, um sie zu sehen.
Als er in die Stadt kam, fragte er nach dem Hause Messere Horatios, ging dahin und fing an, sich auf die Lauer zu stellen, ob er die Jungfrau zu sehen bekomme.
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