Italienische Verführung
fühlten sich ihre Lippen jetzt sinnlicher an, auf eine Art reifer, die neu für sie war. Fast, als würden sie nicht mehr ihr gehören.
Wie konnte der Fremde ihr das antun und dann so einfach verschwinden, ohne ihr seinen Namen zu verraten? Wie konnte er ihr ganzes Wissen über das Küssen auf den Kopf stellen und dann aus ihrem Leben verschwinden? Sie hatte sich ein Abenteuer gewünscht, damit diese entsetzliche Langeweile ein Ende hatte, sich nach einer romantischen Liebelei gesehnt. Und jetzt, wo ihr beides begegnet war und ihr Verlangen geweckt hatte, sehnte sie sich nach mehr.
„Lady Diana!“
Sie trat aus dem Dunkel ins Mondlicht. Immer noch keuchend wegen der vielen Stufen, über die er hatte klettern müssen, eilte Lord Edward auf sie zu. In der Hand hielt er ein kleines Glas.
„Ich konnte Sie nicht sehen, Mylady“, sagte er, während er ihr das Glas reichte. „Als ich vom Grund des Kolosseums hinaufblickte, waren Sie völlig von der Dunkelheit verschluckt. Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht.“
„Das war unnötig, Mylord“, erwiderte Diana und wünschte sich, die Schatten würden sie noch ein wenig länger verbergen. Sicher war ihrem Gesicht die schuldbewusste Verwirrung anzusehen. „Ich war genau dort, wo Sie mich zurückgelassen haben. Wahrscheinlich lag es am Mondlicht, dass ich für Sie nicht gut sichtbar war.“
Er nickte und streckte ihr das kleine Glas hin. „Ihre Orangenlimonade, Mylady.“ Er bemühte sich, galant zu sein, während er sich mit einem Taschentuch den Schweiß abwischen musste, der ihm über die Stirn rann. „Sie war eiskalt, als ich sie kaufte. Aber das war ein teuflisch mühsamer Aufstieg hier herauf. Ich fürchte, sie ist jetzt etwas warm geworden.“
Pflichtschuldig lächelte sie, hatte jedoch das Gefühl, als wären ihre Mundwinkel aus Holz geschnitzt, so steif fühlten sie sich an.
Wäre sie wirklich die sittsame Dame, die sie sich die ganzen letzten Tage zu sein bemüht hatte, hätte sie diesen dunkel gekleideten Mann schroff abgewiesen. Sie hätte sich nicht von ihm küssen lassen, noch ihn geküsst, noch ihn gebeten zu bleiben …
„Ich danke Ihnen, Mylord.“ Sie nahm das Glas und nippte an der viel zu süßen Orangenlimonade.
Wie einfach war es gewesen zuzulassen, dass die Lippen dieses anderen Mannes ihren Mund liebkosten, wie leicht war es ihr gefallen, den Mund zu öffnen, um …
„Sind Sie krank, Mylady?“ Das zusammengeknüllte Taschentuch in der Hand, blickte Edward sie besorgt an. „Bedrückt Sie die Abgeschiedenheit dieses Ortes? Verzeihen Sie bitte, wenn ich so offen zu Ihnen spreche, aber Sie sehen nicht wohl aus.“
Diana ließ den Blick über das weite Rund der Ruine schweifen. Wahrscheinlich würde sieden Mann in Schwarz nie wieder sehen. Er war wirklich keinen Deut besser als irgendein Gauner, der auf dem Markt Frauen ins Hinterteil kniff. Je schneller sie vergaß, wie er die Gelegenheit für sich genutzt hatte, um sie zu küssen, desto besser.
Zumindest sagte das ihr armes, in die Enge getriebenes Gewissen.
Doch ihr niederträchtiger Körper flüsterte etwas ganz anderes.
„Es ist nicht so sehr die Abgeschiedenheit des Ortes“, versuchte sie, vorsichtig bei der Wahrheit zu bleiben, „sondern sein … sein Mysterium raubt mir fast … fast den Atem.“
„Diese Wirkung übt er oft auf die Menschen aus, die ihn das erste Mal besuchen, Mylady“, sagte Edward und steckte sein Taschentuch zurück in die Westentasche. „Es ist wirklich nicht verwunderlich. Bedenken Sie doch nur, wie viele niederträchtige heidnische Seelen wohl an diesem Ort spuken müssen!“
Niederträchtig, heidnisch … und ungezähmt.
Sie setzte das Glas mit der kaum angerührten Orangenlimonade auf einen nahen Sims. „Verzeihen Sie, Lord Edward, doch ich würde jetzt gerne zu den anderen zurückkehren.“
„Natürlich.“ Er bot ihr den Arm, und als sie ihn nahm, legte er schützend die Hand auf ihre. „Was immer Sie wünschen, Mylady.“
Doch ihr zu geben, was sie sich am meisten wünschte, stand leider nicht in Lord Edwards Macht.
„Wach auf, Edward.“ Schwungvoll riss Reverend Lord Henry Patterson die Bettvorhänge auf, sodass die Messingringe gegen die Stange klirrten und die späte Morgensonne Edward direkt aufs Gesicht schien. „Wir müssen reden.“
Doch Edward wollte nicht reden. Er wollte noch nicht einmal die Augen öffnen, sondern nur in gnädige Bewusstlosigkeit zurücksinken, wo er die Übelkeit in seinem Magen, die dicke Zunge und
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