Italienische Verführung
wie genial ihre Ideen waren und wie sie alle, nach einer angemessenen Investition, reich wie Krösus werden würden! Und das alles ohne eine Arbeitsleistung, die eines Gentlemans nicht würdig war!
„Solche Wagnisse bieten jenen enorme Möglichkeiten, die klug genug sind, sie zu erkennen, Onkel“, fuhr er fort. „Es war ja wohl kaum mein Fehler, dass meine Geldmittel nicht ausreichten, all diese Projekte zu Erfolg und Profit zu führen.“
„Hier wurde wohl eher gutes Geld zum Fenster hinausgeworfen“, meinte sein Onkel voller Verachtung. „Du besitzt kaum noch einen Farthing, Edward. Da hättest du dein Geld ebenso gut beim Kartenspiel oder beim Würfeln verschleudern können. Jetzt bleibt dir nur noch eines übrig: Du musst dich bald verheiraten, und zwar gut. Sonst musst du dir deinen Unterhalt an den Spieltischen in Calais verdienen oder dir die dickbeinige Erbin eines Kohleimperiums aus dem Norden aufhalsen.“
„Ich weiß, Onkel, ich weiß“, antwortete Edward verärgert. Herrje, er war doch noch jung und hatte geglaubt, sich hier in Italien die Hörner abstoßen zu können, bevor er den braven Ehemann spielen musste. Natürlich war das wieder die Idee seiner Mutter. Mochte sie auch weit weg sein, so konnte er doch spüren, wie sie ihre Tentakel nach ihm ausstreckte, um ihn mithilfe seines Onkels zu kontrollieren. Genauso hatte sie es auch in London getan.
Aber Zwanzigtausend im Jahr würden alles ändern. Zwanzigtausend und die Einheirat in die hochadelige Familie des Duke of Aston. Natürlich würde er zu Anfang brav im Geschirr gehen müssen, doch wenn er Diana erst einmal auf ihren Landsitz geschickt hatte, um dort die Kinder zu erziehen, wie es bei Damen des Adels üblich war, würde er endlich das Leben führen können, das einem Gentleman zustand. Sollten die anderen ruhig in so altmodische Dinge wie den Pelzhandel in Kanada oder den Tee aus Indien investieren, er würde mehr Geld machen, als sie alle zusammen. Am Ende würde man ihn noch als Visionär preisen.
Zudem war Lady Diana nicht irgendeine hässliche Erbin. Sie würde eine erstklassige Ehefrau abgeben, um die andere Männer ihn beneiden würden. Begeistert von diesen wunderbaren Aussichten, griff er nach der Weinflasche, die er letzte Nacht neben dem Bett hatte stehen lassen.
„Schluss jetzt!“, fuhr ihn der Onkel an und packte sein Handgelenk. „Sag mir lieber, wie weit du bei der Dame gekommen bist.“
„Ich habe sie ihrem Rang entsprechend behandelt“, erklärte Edward. Eigentlich hatte er gestern Abend im Kolosseum vorgehabt, Lady Diana zu küssen, nachdem er ihr diese blöde Orangenlimonade gebracht hatte. Doch sie hatte sich ihm gegenüber so eigenartig benommen, und deshalb hatte er sich nicht getraut. Schöne Frauen hatten diese Wirkung auf ihn, und Lady Diana war ausnehmend schön. „Du kannst mir nichts vorwerfen. Ich habe nichts getan, außer ihr den üblichen Trallala über Bewunderung und Respekt zu erzählen.“
„Dann ist es vielleicht an der Zeit, dass du ein bisschen mehr tust“, riet ihm sein Onkel. „Nun gut, sie ist eine Dame. Aber sie ist auch eine Frau. Frauen lieben es, wenn der Mann sich herrisch benimmt, natürlich nur, solange es im anständigen Rahmen geschieht.“
„Onkel! Ich kenne sie noch nicht einmal eine Woche!“
„Es stehen zwanzigtausend Pfund auf dem Spiel, Neffe!“, brummte Onkel Henry hinter den Tabakschwaden, die sein Gesicht umwaberten. „Du kannst nicht erwarten, auf Kosten meiner Großzügigkeit zu leben. So weit wird meine Rücksichtnahme auf deine arme Mutter nicht gehen.“
Das ist nur allzu wahr, dachte Edward. Onkel Henry besaß mehr Geld als Krösus, das er mit Vorliebe an alte Tonscherben verschwendete. Doch seinen Neffen ließ er um jede noch so kleine Gunst bitten und betteln. Aber mit Zwanzigtausend im Jahr würde Edward nie mehr jemanden um irgendetwas bitten müssen, weder seine Mutter noch seinen Onkel. Und seine Mutter würde sich sogar vor seiner Gattin verbeugen müssen, denn diese hätte dann einen höheren Rang als sie. Wie gerne würde er das erleben!
Er rieb sich mit der Hand über den Mund, während er in seinen Vorstellungen schwelgte. Seine Gattin Lady Diana Warwick. Seine Kinder, mit einem Duke als Großvater. Seine Taschen gefüllt mit Guineen. Was wollte er mehr?
„Gott hilft denen, die sich selbst helfen, Edward“, dröhnte Onkel Henry so schwülstig, als stünde er auf seiner Kanzel. „Denke daran, und dass du nehmen musst, was immer
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