Italienische Verführung
Mädchen war nicht krank gewesen, nicht im Geringsten. Als sie in ihre Loge zurückgekehrt war, hatte sie genauso zerzaust ausgesehen wie die Ladenmädchen und die Spülmägde, die mit ihren Liebhabern kichernd Hand in Hand aus dem Gebüsch der Gärten von Vauxhall stolperten. Kein Wunder, dass sie auf dem Heimweg in der Kutsche so verdammt schweigsam gewesen war. Sie hatte gewiss kein Fieber gehabt. Sie war nur schläfrig gewesen nach dem Unfug, den sie angestellt hatte. Was immer das auch gewesen sein mochte. „So einfach ist das nicht, Onkel“, sagte er und schob der Fliege den Schinken hin. „Wenn ich die Dame bitte, mich zu heiraten, will ich sicher sein, dass nicht schon der Balg eines anderen in ihrem Bauch wächst.“
„Edward!“Voller Empörung ließ sein Onkel die Zeitung sinken. „Ich will kein weiteres Gerede solch übler Art über die Dame hören.“
„Ich möchte ja nur nicht, dass sie mir ihren Bastard unterschiebt, das ist alles“, brummte Edward. „Das ist doch nur fair, oder nicht?“
„Mit zwanzigtausend Pfund“, sagte sein Onkel, „ist sie diejenige, die entscheidet, was fair ist. Bettler haben keine Wahl, Edward, und im Augenblick gehörst du mit Sicherheit zu den Bettlern.“
Edward brummte nur missmutig und war nicht gewillt, sich eine so finstere Zukunft vorzustellen. Was war das nur für eine Welt, wenn ein vielversprechender Gentleman wie er, der sich rühmen konnte, im Besitz eines außerordentlich scharfen Verstands zu sein, gezwungen wurde, um der reinen Existenz willen eine Frau wie Diana Farren um die Röcke zu kriechen?
Die Fliege war inzwischen auf die Brotkruste gekrochen und knabberte bereits am Schinken. Edward lud einen dicken Klacks glänzende Marmelade auf sein Messer und ließ ihn direkt auf die Fliege fallen. Gefangen, versuchte die Fliege zappelnd sich aus der schweren, zuckrigen roten Masse zu befreien, die sie einhüllte. Edward beugte sich vor und beobachtete, wie die Bewegungen der Fliege immer schwächer wurden und endlich ganz aufhörten.
„Edward.“ Sein Onkel hatte seine Lektüre beendet und war bereit, sich in seine Räume zu begeben. Er hatte den Stuhl bereits unter den Tisch geschoben und die zusammengefaltete Zeitung unter den Arm geklemmt. „Bist du mit dem Frühstück fertig?“
„So gut wie.“ Edward schob den Teller mit der toten Fliege endgültig von sich und dachte, dass er sich selbst nicht viel anders fühlte. „Es war sowieso schon kalt.“
„Sie sehen heute Morgen wirklich besser aus, Mylady“, meinte Miss Wood, wobei sie Diana immer noch voll Sorge betrachtete. „Aber ich möchte sicher sein, dass Sie außer Gefahr sind.“
„Ich war nie in irgendeiner Gefahr, Miss Wood.“ Ungeduldig richtete Diana sich in ihrem Bett auf. Sie konnte es gar nicht erwarten, dass man ihr endlich erlaubte aufzustehen und sich anzuziehen. Soweit sie es durchs Fenster sehen konnte, war es ein schöner Tag, und sie hatte keine Lust, ihn im Bett zu verbringen, während Miss Wood sie aufgeregt umsorgte. „Mir geht es wunderbar.“
„Also bestehen Sie darauf“, seufzte Miss Wood und faltete die Hände vor dem Bauch. „Aber Seine Gnaden Ihr Herr Vater hat Sie mir anvertraut. Und bevor ich Ihre Gesundheit riskiere, möchte ich sichergehen, dass es Ihnen wirklich so gut geht, wie Sie behaupten.“
„Um meine Gesundheit steht es ausgezeichnet.“ Mit Nachdruck schlug sie aufs Kissen, in dem sie den Brief des Jungen von gestern Abend versteckte. Sie hatte ihn immer noch nicht lesen können, da Miss Wood in ihrer Sorge die ganze Nacht neben Dianas Bett ausgeharrt hatte. „Hervorragend und ausgezeichnet . “
„Sie müssen nicht grob werden, Mylady“, meinte Miss Wood leicht verschnupft. „Vielleicht könnten wir ja eine kurze Kutschfahrt über den Corso in Betracht ziehen.“
„Oh ja, eine Kutschfahrt, bitte, Miss Wood!“ Begeistert warf Diana die Bettdecke zurück. Eine Fahrt über den Corso war nicht gerade das, wovon sie träumte, aber immer noch besser, als hierzubleiben. Sie könnte vielleicht einen Blick auf Antonio erhaschen, falls er in der eleganten Menge ausritt. Sie zweifelte nicht daran, dass er sie wiederfinden würde. Immer hatte er irgendwie genau gewusst, wo sie sich aufhalten würde, sogar bevor sie selbst es wusste. „Mehr als alles andere würde ich gerne ausfahren.“
„Ich werde mein Bestes tun, Mylady“, sagte Miss Wood. „Heute früh habe ich die Kutsche abbestellt, doch vielleicht kann Signor Silvani eine
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