Italienische Verführung
hätte und er sich bemühen würde, diskret zu sein. „Wirklich, du musst daran denken, mich Anthony zu nennen.“
„Anthony.“ Wie könnte sie es nicht tun, nachdem er sie mit Geschichten über Kleopatra und Tintoretto ihre Tränen hatte vergessen lassen. Sie wusste, warum er es getan hatte. Liebkosend strich sie mit der Hand über seinen Arm. Auch wenn es nur eine kleine Geste war, konnte sie nicht widerstehen, da sie ihn einfach berühren musste. „Lord Edward war nämlich verletzt, dass man ihn übergangen hat, müssen Sie wissen. Und ich kann ihm deswegen keinen Vorwurf machen.“
„Dieser Palazzo ist mein Zuhause, und ich lade ein, wer mir gefällt“, sagte er. Immer noch war sein Gesicht dem ihren sehr nahe. „Und du, meine liebe Diana, gefällst mir sehr.“
Bewusst gab sie das Kompliment nicht zurück, noch antwortete sie darauf. Sie waren allein in dieser Galerie, und schon viel zu lange weg von den anderen. Sie mussten bald zurückkehren, sonst würde man sie vermissen. Diana wusste das alles, trotzdem blieb sie.
Etwas irritiert betrachtete Anthony sie mit gefurchter Stirn. „Hättest du denn gewollt, dass ich Warwick einlade? Habe ich dich, ohne es zu wissen, verärgert?“
„Überhaupt nicht“, erwiderte sie sanft und verwirrte ihn mit der Wahrheit. Wie konnte ein Mann wie Anthony nur jemals auf Edward Warwick eifersüchtig sein? „Sie haben noch andere Bilder, die Sie mir zeigen können, nicht wahr?“
„Oh ja.“ Zart strich er ihr mit dem Finger über die Wange. „Doch die besten hängen oben. Nur ich und meine engsten Freunde genießen ihren Anblick. Ich glaube, sie würden dir noch besser als Kleopatra gefallen.“
Diana verstand. Oh ja, sie verstand. Langsam faltete sie ihren Fächer zusammen, diese zerbrechliche kleine Barriere zwischen ihnen. Er war nicht Lord Edward, und ganz gewiss war er nicht Will Carney. Aber Anthony war immerhin ein Mann – ein sündhaft verführerischer Mann, der sie bereits mehr in Versuchung geführt hatte, als er durfte.
„Oben?“, wiederholte sie.
„Oben.“ Er sah an ihr vorbei durch die Tür zu den anderen. „Wo ist deine Gouvernante?“
„Ich weiß es nicht. Seit wir angekommen sind und man mich ankündigte, habe ich sie nicht mehr gesehen.“
Wieder berührte er ihre Wange, nur mit den Fingerspitzen, doch sie erschauerte. „Ich will nicht, dass sie eine Szene macht, wenn … wenn du nicht zu finden bist.“
„Das wird sie nicht tun.“ Zumindest hatte Miss Wood es zuvor noch nie getan, und, bei Gott, Diana hatte ihr wahrlich oft genug Gelegenheit dazu gegeben. Ihre Gouvernante würde sich wahrscheinlich auf die Suche nach ihr machen. Doch Miss Wood hatte immer die Diskretion besessen, die Vater von ihr erwartete. „Und wenn wir nur so lange fortbleiben, dass Sie mir die Bilder zeigen können, und dann …“
„Komm.“ Er wartete nicht lange auf ihre Zustimmung, nahm sie bei der Hand und ging mit ihr über den mit Ornamenten verzierten Marmorboden bis zur Treppe am anderen Ende der Galerie. Sanft legte er den anderen Arm um sie, führte sie, beschirmte sie, sorgte dafür, dass sie nicht zauderte oder stolperte. Wie eine Flut aus hellem Marmor schienen die Stufen unter ihnen dahinzurauschen.
Mit ihm an ihrer Seite stieg sie rasch hinauf. Ihr Herz raste, und ihr Atem ging schneller. Die Kerzen in den vergoldeten Wandleuchtern ließen ihre Schatten tanzen, und mit jedem Schritt wurde das Lachen und Schwatzen aus dem Empfangssaal leiser. Auch hier hingen Gemälde entlang den Wänden, noch mehr riesige Bilder wie das der Kleopatra, in üppig verzierten Goldrahmen. Doch sie eilten so schnell daran vorüber, dass sich die gemalten Bilder in nichts als Farben aufzulösen schienen, Himmelblau und Karminrot, Gold und Silber und cremiges Weiß, die reichen, starken Farben Roms und der Leidenschaft.
Die Farben Anthonys.
Oben führte er sie eine weitere Galerie entlang – noch mehr Marmor, noch mehr Gold und Silber, noch mehr Gemälde, als dürfte kein Zoll des Palastes ungeschmückt bleiben –, und endlich stieß er eine Tür auf und machte einen Schritt zur Seite, um Diana zuerst eintreten zu lassen.
Sie hielt vor Staunen den Atem an. Noch nie zuvor hatte sie einen solchen Raum gesehen, weder in England noch in Frankreich noch in irgendeiner der anderen italienischen Städte, die sie bis jetzt besucht hatte.
Während der übrige Palast im großen Stil angelegt war, war dieser Raum hier klein und intim und für den privatesten
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