Italienische Verführung
meine Göttin der Unschuld.“
Liebe, Unschuld. Die Worte waren zärtlich gemeint, doch sie trafen Diana wie ein Schwall eiskalten Wassers. Auch wenn sie ihre Unschuld noch nicht ganz verloren hatte, war sie doch weit entfernt davon, die unschuldige Tochter eines englischen Lords zu sein, für die er sie hielt. Vielmehr war sie eine lüsterne Frau, die sich immer und immer wieder von ihrer Leidenschaft und der Versuchung durch die Männer hatte leiten lassen und sich jetzt entweder mit Erpressung oder einem alles zerstörenden Skandal konfrontiert sah.
Anthony bot ihr Liebe an, und alles, was sie ihm im Gegenzug dazu zu bieten hatte, waren Falschheit und Enttäuschung.
„Ist das denn so schwierig, cara?“, fragte er halb neckend, halb besorgt. „Bringt dich meine Liebe so durcheinander?“
Diana schlüpfte aus seinen Armen und wandte sich ab. Sie wollte nicht, dass ihr Gesicht sie verriet. Ganz gleich, was es sie kostete, sie schuldete ihm die Wahrheit. Wenn er nur der nutzlose römische Spitzbube gewesen wäre, für den sie ihn anfangs gehalten hatte, dann hätte es keine Rolle gespielt. Aber er war ein englischer Gentleman, ein Mann von adeligem Blut wie sie – ein Ehrenmann. Es gab keinen anderen Weg. Nicht, wenn sie die von ihm angebotene Liebe und sein Vertrauen je verdienen wollte.
Doch wie die Worte finden, mit denen sie ihm von Will Carney erzählen konnte? Wenn Will seine Drohung wahr machte, würde der Skandal auch Anthony mit einbeziehen. Wie konnte sie ihm alles erklären, ohne dass er sie als die schändliche Kreatur verachtete, die sie war?
„Was ist, Diana?“ Er nahm sie wieder in die Arme. „Sag es mir, bitte. Ist es die Vorstellung von der Liebe, die dich so …“
„Sprich nicht von Liebe, ich bitte dich!“, rief sie gequält auf und riss sich von ihm los. „Ach, Antonio – Anthony – du würdest nicht davon sprechen, wenn du mehr über mich wüsstest.“
„Was kümmert mich das Gerede anderer?“, sagte er und griff nach ihr. „Komm, cara, lass nicht …“
„Es ist ein Mann“, unterbrach sie ihn. „Ein … ein anderer Mann.“
Seine Hand erstarrte mitten in der Bewegung. Die Verwirrung war ihm anzusehen. „Warwick?“
Diana schüttelte den Kopf. Sie sollte sich immer an diese Nacht erinnern, hatte er ihr gesagt. So bewahrte sie wenigstens die schöne, unbefleckte Erinnerung daran, dass er sie einmal geliebt hatte. Und sie ihn.
„Nein“, entgegnete sie unglücklich. „Es ist niemand, den du je gekannt oder getroffen hast, aber er … er hat Gewalt über mich. Ich kann es dir nicht erklären.“
„Versuche es“, sagte er. „Bitte, cara. Gib mir diese Chance.“
„Ich kann nicht“, flüsterte sie. „Ich bin ein zu großer Feigling, um dir ins Gesicht zu sehen, wenn du die Wahrheit erfährst. Ich verdiene deine Liebe nicht, Antonio. Und ich verdiene dich nicht.“
Bevor er sie zurückhalten und sie ihre Meinung ändern konnte, drehte sie sich um und floh vor ihm zurück zu Miss Wood.
10. KAPITEL
Anthony saß draußen vor dem Café im Schatten der Markise. Der Kaffee vor ihm war unberührt, die Zeitung ungelesen, und er sah über die Piazza di Spagna hinweg zu Dianas Unterkunft hinüber. Er wusste, welche Fenster zu den Räumen gehörten, die sie mit ihrer Gouvernante teilte, und hinter welchem ihr Schlafzimmer lag.
Das fröhliche Zimmermädchen des Hauses war entzückt gewesen, ihm über die feine Herrschaft Auskunft zu geben. So wusste er nun, dass die junge englische Dame Kakao mit Schlagsahne, aber niemals Tee mochte; dass ihre Zofe darauf bestand, selbst die Wäsche der Dame zu bügeln, weil sie befürchtete, römische Hände wären zu ungeschickt für die feine Haut ihrer Herrin; dass sich zwischen der englischen Dame und dem englischen Gentleman eine Beziehung anbahne, die von der Gouvernante und dem Onkel unterstützt würde, und dass, ihrer Meinung nach, die junge Dame sich wegwarf, wenn sie den Antrag jenes dicklichen, unfreundlichen englischen Herrn annahm.
Anthony lächelte sarkastisch, als er sich an die Entrüstung des Mädchens, was die junge englische Dame betraf, erinnerte. Wenn er bedachte, dass er selbst bei Diana keine Fortschritte hatte machen können, durfte er Warwick jetzt kaum mehr verachten. Warum das so war, vermochte er nicht zu ergründen. Er wusste, dass sie ihn mochte und höchstwahrscheinlich liebte. Und er wusste auch, dass sie so begierig darauf gewesen war, verführt zu werden, dass es sie praktisch von selbst zu dem Bett
Weitere Kostenlose Bücher