Ivo Andric
bis auch der letzte
das Gerüst abwarf und sich die ganze Brücke auf ihren elf mächtigen Bögen,
vollendet und wunderbar in ihrer Schönheit, wie eine neue und fremde
Landschaft den Augen der Städter darbot.
Schnell im Bösen wie im Guten, waren
die Wischegrader über ihren Zweifel und Unglauben beschämt. Nun versuchten sie
nicht einmal, ihr Staunen zu verbergen, und konnten ihre Begeisterung nicht
bändigen. Der Übergang über die Brücke war noch nicht gestattet, aber das Volk
sammelte sich auf beiden Ufern, besonders auf dem rechten, auf dem der
Marktplatz und der größere Teil der Stadt liegt, und schaute zu, wie die
Arbeiter über sie gingen und daran arbeiteten, den Stein auf der Einfassung
und auf den erhöhten Sitzen der Kapija zu glätten. Die versammelten
Wischegrader Türken betrachteten diese fremde Arbeit auf fremde Kosten, der sie
volle fünf Jahre alle möglichen Schimpfnamen gegeben und die schlimmste
Zukunft vorausgesagt hatten.
»Ich habe es euch ständig gesagt«,
sprach freudig erregt ein kleiner Hodscha aus Duschtsche, »daß der Hand des
Sultans nichts entgleitet und daß diese klugen Leute am Ende das bauen werden,
was sie unternommen haben; aber ihr sagtet ständig: < Nein, das wird nichts,
das können sie nicht. > Und nun seht ihr, daß sie sie gebaut haben, und was
für eine Brücke, welche Schönheit und welche Annehmlichkeit.« – Alle stimmten
ihm zu, obgleich sich niemand recht erinnern konnte, was er ihnen gesagt haben
sollte, und alle wußten, daß er gemeinsam mit ihnen sowohl über den Bau als
auch über den, der ihn errichtet, übel geredet. Und, aufrichtig verzückt,
konnten sie sich vor Bewunderung nicht lassen.
»Eh, Leute, Leute, was entsteht da
in unserer Stadt!«
»Siehst du, das ist die Kraft und
der Geist eines Wesirs: wohin er mit seinen Augen schaut, da sprießen Wohltat
und Fortschritt.«
»Und das ist noch gar nichts«, fügte
der kleine lustige und lebhafte Hodscha hinzu, »sie wird noch schöner werden!
Seht, wie sie sie striegeln und zurichten, wie ein Pferd für den Markt!«
So wetteiferten sie in Ergüssen der
Begeisterung und suchten immer neue, schönere und stärkere Lobesworte. Nur
Ahmedaga Scheta, ein reicher Getreidehändler, ein übellauniger Mensch und
Geizhals, blickte noch immer verächtlich auf den Bau und auf jene, die ihn
lobten. Groß, gelb und gebeugt, mit finsterem, scharfem Blick, dünnen, wie
zusammengeklebten Lippen, blinzelte er in die Septembersonne des schönen Tages
und ging als einziger nicht von seiner früheren Meinung ab. (Denn es gibt bei
manchen Menschen grundlosen Haß und Neid, die größer und stärker sind als
alles, was andere Menschen schaffen und erdenken können.) Jenen, die begeistert
die Größe und Festigkeit der Brücke lobten und sagten, sie sei stärker als
jede Festung, warf er verächtlich zu:
»Noch hat sie kein Hochwasser
mitgemacht, unser richtiges Wischegrader Hochwasser! Dann werdet ihr ja sehen,
was von ihr übrigbleibt!«
Alle widersprachen ihm erbittert und
lobten die, die an der Brücke gearbeitet hatten, besonders Arif Beg, der, immer
vornehm lächelnd und wie spielend, einen solchen Bau schuf. Aber Scheta war
fest entschlossen, niemandem etwas zuzugestehen.
»Ja, wenn nicht Abidaga und sein
grüner Stab gewesen wären und seine Disziplin und Gewalt – hätte dann, möchte
ich euch fragen, dieses Glattgesicht mit seinem Lachen und mit den Händen auf
dem Rücken die Brücke fertig bauen können?«
Und erbost über die allgemeine
Begeisterung wie über eine persönliche Beleidigung, ging Scheta wütend in sein
Magazin, um dort auf seinem alltäglichen Platz zu sitzen, von dem man weder
Sonne noch Brücke sah, noch das Geschrei und den Lärm der
begeisterungstrunkenen Menschen hörte.
Aber Scheta war eine vereinzelte
Ausnahme. Die Freude und Begeisterung der Bürger wuchs und griff auf die
umliegenden Dörfer über. In den ersten Oktobertagen, als die Brücke fertiggestellt
war, gab Arif Beg ein großes Fest. Dieser Mann mit den vornehmen Gewohnheiten,
unspürbarer Strenge und seltener Ehrlichkeit, der das ganze ihm anvertraute
Geld für das verwendete, wozu es bestimmt war, ohne etwas für sich zu behal
ten, war für das Volk die Hauptperson bei diesem Fest. Von ihm sprach man mehr
als vom Wesir selbst. So fiel auch seine Feierlichkeit reich und glänzend aus.
Die Aufseher und die Arbeiter
erhielten Geld und Kleider geschenkt, und das allgemeine Gastmahl, an dem
jeder teilnahm, der wollte,
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