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Ivo Andric

Ivo Andric

Titel: Ivo Andric Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Brücke über die Drina
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schließlich beim
Fremden fest. Das Geld fiel ohne Klang auf den Stein, auf dem sich ein dünner
Tau niederschlug. Es kam jener Augenblick, den Milan gut kannte, da der Fremde
auf neunundzwanzig eine zwei und auf dreißig ein As zog. Die Kehle schnürte
sich ihm zusammen, und sein Blick trübte sich. Aber das Gesicht des Fremden
schien im Mondlicht noch ruhiger als gewöhnlich. In einer knappen Stunde hatte
Milan all sein Geld verloren. Der Fremde schlug vor, Milan solle nach Hause
gehen und neues holen, und er werde ihn begleiten. Sie gingen und kamen wieder
zurück und setzten das Spiel fort. Milan spielte wie stumm und taub; er erriet
die Karten mehr, als daß er sie sah, und mit Zeichen sagte er, was er wollte.
überhaupt, als seien die Karten zwischen ihnen beiden nebensächlich geworden
und nur mehr ein Vorwand für das verzweifelte Ringen ohne Atempause. Als er
wieder ohne Geld war, befahl ihm der Fremde, nach Hause zu gehen und neues zu
holen, er aber blieb auf der Kapija und rauchte. Er hielt es nicht für notwendig,
ihn zu begleiten, denn es war einfach undenkbar, daß Milan etwa nicht gehorchen
oder ihn täuschen und zu Hause bleiben könnte. Und Milan gehorchte, ohne
Widerrede ging er und kam folgsam wieder. Nun wendete sich das Glück plötzlich.
Milan holte seinen Verlust wieder ein. Vor Aufregung wurde ihm der Knoten im
Halse noch enger. Der Fremde begann den Einsatz zu verdoppeln, dann zu
verdreifachen. Das Spiel wurde immer schneller und immer schärfer. Zwischen
ihnen fuhren die
    Karten zischend hin und her, wogte
das Geld wie Ebbe und Flut in Silber und Gold. Beide schwiegen. Milan atmete nur
erregt, abwechselnd schwitzte und fror er im Mondlicht der milden Nacht. Er
spielte, gab Karten aus und deckte sie auf, aber nicht weil ihm der Sinn nach
dem Spiel stand, sondern weil er mußte. Er fühlte, wie ihm der Fremde nicht
nur das Geld, Dukaten um Dukaten, sondern auch das Mark aus den Knochen und
das Blut aus den Adern Tropfen um Tropfen herauszog und ihn mit jedem neuen
Verlust Kraft und Wille immer mehr verließen. Von Zeit zu Zeit betrachtete er
verstohlen seinen Gegner im Spiel. Er erwartete, das Gesicht des Teufels mit
gefletschten Zähnen und Augen wie glühenden Kohlen zu sehen, aber im
Gegenteil, vor ihm stand immer das gewöhnliche Gesicht des Fremden, mit dem
angespannten Ausdruck eines Mannes, der seine alltägliche Arbeit verrichtet, der
sich eilt zu vollenden, was er begonnen, und dem dies weder leicht noch angenehm
ist.
    Bald hatte Milan wieder sein ganzes
Bargeld verloren. Nun schlug der Fremde vor, um das Vieh, dann um Land und
Besitz zu spielen.
    »Vier gute Kaiserdukaten setze ich,
und du den Braunen mit Sattel dagegen. Ist es dir recht?«
    »Gut.«
    So ging der Braune fort und nach ihm
noch zwei Lastpferde, dann die Kühe und Kälber. Wie ein sorgfältiger und
besonnener Kaufmann zählte der Fremde dem Namen nach alles Vieh aus Milans Stalle
auf und schätzte jedes Stück genau ab, als sei er in diesem Hause geboren und
aufgewachsen.
    »Hier elf Dukaten für deinen Acker,
den du die Salkusche nennst! Gilt es?«
    »Es gilt!«
    Der Fremde gab Karten. Bei fünf
Karten hatte Milan nur achtundzwanzig.
    »Noch?« fragte der Fremde ruhig.
    »Noch eine«, sagte Milan mit kaum
hörbarem Flüstern, und alles Blut stieg ihm zu Herzen.
    Der Fremde drehte ruhig die Karte
um. Es war eine Zwei, die rettende Karte. Gleichmütig stieß Milan durch die
Zähne:
    »Genug!«
    Krampfhaft preßte und verbarg er die
Karten. Er mühte sich, Stimme und Gesicht einen möglichst gleichmütigen
Ausdruck zu geben, damit der Gegner nicht wüßte, auf wieviel er stehe.
    Nun begann der Fremde, offen für
sich Karten zu ziehen. Als er bis siebenundzwanzig gekommen war, unterbrach er
und blickte Milan ruhig in die Augen, der aber senkte den Blick. Der Fremde zog
noch eine Karte. Es war eine Zwei. Er atmete kurz und kaum hörbar. Es schien,
als würde er neunundzwanzig stehenbleiben, und Milan begann bereits im
Vorgefühl der Siegesfreude, das Blut in den Kopf zurückzukehren. Aber dann gab
sich der Fremde einen Ruck, schob die Brust stärker hervor und warf den Kopf
zurück, daß ihm Stirn und Augen im Mondschein aufleuchteten, und drehte noch
eine Karte um. Wiederum eine Zwei. Es sah unwahrscheinlich aus, daß dreimal
nacheinander eine Zwei herauskommen sollte, aber dennoch war es so. Auf der
umgedrehten Karte erblickte Milan seinen Acker, gepflügt und geeggt wie im
Frühjahr, wenn er am schönsten ist. Die

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