Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)
Rosen – sie haben getanzt.« Ihre Augen begannen zu glänzen. »Die Prunkwinden fingen an zu singen, und es klang genauso schön wie ihr Name. Und die Kräutertöpfe … die ganze Wohnung duftete tagelang nach Basilikum und Rosmarin. Du hast mich gefragt, was ich gekocht hätte; ich sagte, ich könnte mich nicht erinnern. Ich dachte, ich hätte mir das alles bloß eingebildet.«
Lily wusste nicht, was sie erwidern sollte.
Mom lächelte beinahe. »Ist doch schön zu wissen, dass ich nicht ganz so verrückt bin, wie du dachtest, oder? Ich finde es schön.« Sie drehte sich wieder zu Grandpa um und tätschelte liebevoll seine Hand. »Du hattest deine Gründe, nichts zu sagen, da bin ich ganz sicher. Du kannst mir alles erzählen, wenn du wieder aufwachst. Ich werde hier sein.«
»Mom … «
Zu ihrer Tochter gewandt, wiederholte Rose: »Ich werde hier sein.«
Kapitel elf
In der clubeigenen Cafeteria nahm sich Lily einen Becher und füllte ihn mit Sprite. Sie sah zu, wie die Kohlensäurebläschen nach oben perlten und versuchte, nicht allzu sehr an Grandpa zu denken, der ein Stockwerk über ihr in einem Krankenbett lag, umgeben von Infusionsschläuchen und Monitoren. Jake kam zu ihr herüber und reichte ihr Deckel und Trinkhalm.
»Ich hab’s gehört«, sagte er. »Tut mir leid.«
»Er wird wieder aufwachen«, versicherte Lily. »Er ist stark. An den Wochenenden läuft er Halbmarathons. Nur so zum Spaß. Ohne dass ihn jemand verfolgt.« Sie versuchte, den Deckel auf den Becher zu drücken. Er schnippte wieder hoch, und Limonade spritzte auf ihre Hand. Als sie auf die Tropfen hinunterblickte, kamen ihr plötzlich die Tränen. Sie blinzelte heftig. »Er wird wieder aufwachen, und dann wird er mich fragen, warum ich meiner Mutter nicht geholfen habe.« Sie sah zu, wie eine Träne auf ihre Hand fiel und sich mit den Limonadetropfen vermischte. »Die Dryaden könnten ihr helfen. Sie haben vielleicht irgendein Heilmittel. Aber sie weigert sich, mit mir zu kommen, obwohl das sogar mein Großvater wollen würde.« Lily sog zischend Luft ein und blinzelte schneller, zwang sich, mit dem Weinen aufzuhören, noch bevor es richtig anfing. Es würde Grandpa gar nichts nützen, wenn sie jetzt zusammenbrach. Jakes und ihre Augen trafen sich. »Ich kann sie nicht dazu zwingen, von hier wegzugehen. Sie ist meine Mutter. Aber ich kann auch nicht einfach so abwarten, während es ihr von Tag zu Tag schlechter geht und Grandpa … Ich kann doch nicht nichts tun.«
Jake sah aus, als überlege er ganz genau, was er ihr antworten sollte. Oder wie er sich davonmachen konnte. Wahrscheinlich war er nicht darauf gefasst gewesen, dass sie ihren ganzen Kummer auf ihn ablud, während er nichts weiter getan hatte, als ihr einen Trinkhalm zu bringen. »Muss sie denn selbst gehen?«, fragte er schließlich. »Ich meine, wenn es ein Heilmittel gibt, dann ist es ja vielleicht etwas, das du hierher zu ihr bringen kannst?«
Verblüfft sah Lily ihn an. Aber natürlich! Das war ja perfekt! »Brillante Idee.«
Seine Wangen färbten sich leicht pink. »Ich könnte dich begleiten«, schlug er vor. »Ich schulde dir was.«
»Du schuldest mir gar nichts«, widersprach sie. »Ich versteh dich. Deine Eltern … «
» … waren Helden«, beendete er den Satz für sie. »Sie kämpften gegen den Drachen, statt wegzulaufen. Sie retteten eine Frau und ihr Baby, statt sich selbst in Sicherheit zu bringen. Mich wie ein Ritter zu verhalten, ist das Mindeste, was ich tun kann.«
Sie musterte ihn einen Augenblick. »Okay. Dann los.«
Er nickte und straffte die Schultern. Jetzt sah er aus wie ein Soldat, fertig zum Abmarsch. »Gehen wir jetzt gleich, oder möchtest du vorher deiner Mutter Bescheid sagen?«
»Die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig, dass sie es gleich wieder vergisst«, meinte Lily. »Und falls sie es sich doch merkt, wird sie sich Sorgen machen. Oder Hoffnungen. Nein, lass uns lieber gleich gehen. Wir finden die Dryaden, bitten sie um Hilfe und sind mit dem Heilmittel, was immer es auch sein mag, zurück, bevor mein Großvater aufwacht.«
Jake nickte.
Lily stellte den Becher mit der Limonade auf einen Tisch, dann verließen sie zusammen die Cafeteria und durchquerten die Lobby. Die Old Boys blickten ihnen von ihren Sofas aus nach, doch niemand schien sie aufhalten zu wollen. Sie gingen zur Tür hinaus und den Pfad zur Straße hinunter. Lily drehte sich um und warf einen Blick hinauf zu den Fenstern im zweiten Stock. Mom und Grandpa waren fürs
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