Ja, Liebling
England.«
»Aber sind Sie denn nicht verheiratet?« Sie hatte als selbstverständlich vorausgesetzt, daß er mindestens zwei Kinder hatte.
»Nein, warum, das weiß ich auch nicht so recht, obwohl ich bald vierzig bin — achtunddreißig, um genau zu sein. Da wird es höchste Zeit. Verliebt war ich eigentlich auch schon, aber es war mehr eine Schwärmerei. Ich hatte damals kein Geld und mußte hart arbeiten, um meine Farm wieder in Schuß zu bringen. Da hat das Mädchen dann einen Rechtsanwalt aus der Stadt vorgezogen. Jetzt rentiert sich meine Schafzucht ganz gut, aber am Anfang war es schon schwer. Warum sind Sie jetzt erst auf Ihre Farm zurückgekehrt, wenn Sie das Land so lieben?«
»Während mein Mann noch lebte, konnte ich ja nicht hierher zurück. Er schämte sich wegen der Farm. Sehen Sie, es ist keine große Schafzucht wie Ihr Betrieb, und auf die paar Kühe kann man kaum stolz sein. Ich habe allerdings nie verstanden, warum nicht.«
»Haben Sie Ihren Mann denn hier kennengelernt?«
»Ja, ich war erst ein Jahr wieder aus dem Internat zurück. Da draußen vor der Tür kam er auf mich zu.«
Er hatte plötzlich ein Bild vor Augen: Ein junges, hübsches Mädchen lief einem Mann entgegen. Glück? Er bezweifelte es.
»Hervey hätte natürlich ein Mädchen aus seinen Kreisen heiraten sollen«, fuhr sie fort. »Nicht ein Mädchen vom Land.«
Sie hielt inne und bedauerte ihre Indiskretion einem völlig Fremden gegenüber. »Jetzt habe ich Ihnen die Geschichte meines Lebens erzählt. Und wie steht’s mit Ihrer?«
»Nicht die ganze Geschichte. Ihre Heirat war doch nur der Anfang.«
»Danach ist nicht mehr viel geschehen. Es war ziemlich schwierig, weil ich mit der Heirat ein paar Verwandte bekam, die nicht viel jünger waren als ich. Hervey hatte zwei Nichten mehr oder weniger adoptiert, nachdem ihre Eltern gestorben waren. Sie gingen auf ein Internat, nur während der Ferien hatte ich sie zu Hause.« Dann fügte sie rasch hinzu: »Aber da war auch noch Cecily und die entschädigte mich für alles. Sie war damals noch sehr klein und benahm sich, als sei ich ihre richtige Mutter. So ist es seitdem geblieben.«
Sie schämte sich ein wenig, weil ihr einfiel, daß sie manchmal selbst nur mit einem gewissen Widerwillen all das tat, was eine richtige Mutter getan haben würde.
Er bemerkte, wie ihre Miene sich verklärte und ihre Stimme weich wurde. Das war also der empfindliche Punkt. Ein ungewisses Gefühl warnte ihn vor einer drohenden Gefahr. »So ist das also. Und dann?«
»Hervey starb vor vier Jahren; wir waren sieben Jahre verheiratet. Sein Tod kam ganz plötzlich. Er bat mich noch, mich um die drei Mädchen zu kümmern. Es war sein letzter Wunsch.«
Holder fragte in sachlichem Ton: »Wie alt waren Sie damals?«
»Sechsundzwanzig.«
Nach seiner Meinung war dieser letzte Wunsch eine schreckliche Last für so junge Schultern.
Sie fuhr fort: »Dann heirateten die beiden großen Mädchen bald und ich zog hierher aufs Land. Sie waren dagegen, aber diesmal gab ich nicht nach. Sehen Sie, es war das erstemal, daß ich tat, was ich wollte.«
»Viel wichtiger ist noch, daß Sie dann Ihr Buch schrieben.«
»Nun, ich hatte die ganze Zeit über schon diese Schulhefte vollgeschrieben, — seit Herveys Tod. Mir ist jetzt noch nicht ganz klar, wie daraus ein Buch wurde. Ich werde jedenfalls nie ein zweites schreiben.«
»Warum nicht? Sie haben doch jetzt diese Mädchen nicht mehr auf dem Hals. Sie sind doch alle verheiratet, nicht wahr?«
»Ja, aber mit ihren Kindern brauchen Sie mich immer noch so sehr, und das kommt natürlich zuerst. Da haben Sie meine ganze Geschichte. Und Ihre?«
»Ich fürchte, meine Geschichte ist ziemlich langweilig. Zuerst die üblichen Internate. Ich glaubte damals, mein Leben sei verpfuscht, weil ich für den Krieg noch zu jung war. Am Schluß gelang es mir doch noch, für kurze Zeit bei der Luftwaffe unterzukommen. Dann wieder zurück auf die Farm. Mein Bruder wollte sie nicht haben. Er war älter und blieb bei der Luftwaffe. Heute ist er Flugkapitän in England. Die Farm war ziemlich heruntergekommen, weil mein Vater starb, während ich noch auf der Schule war. Es ist mir aber mehr oder weniger gelungen, wieder alles in Schuß zu bringen.«
»Wohnen Sie ganz allein dort?«
»Nein. Die Farm ist ziemlich groß, und entsprechend groß ist auch unser Haus. Viel zu groß für mich. Einen Teil des Hauses bewohnt der Mann, der sich um unsere Herden kümmert, und seine Frau führt mir
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