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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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lacht. Irgendwie läuft es hier nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Statt wie ein intellektueller Gegenpol benehme ich mich wie ein vorlauter Siebtklässler. So kann ich Roni nie von ihrem Vorhaben abbringen. Höchste Zeit, die Taktik zu wechseln.
    «Ursprünglich komme ich aus Tiefenwalde. Und ich gehe nicht fremd», sage ich ehrlich. «Ich liebe Roni.» Auch wenn sie römisch-katholisch ist und ich als Lipper aus historischen Gründen Probleme mit dem Wort «römisch» habe. Und als Berliner mit dem Wort «katholisch».
    «Sie san oiso Atheist … Woins Eahna Kinda taufen lossn?»
    «Ja», antwortet Roni.
    «Nein», antworte ich.
    «Es kann ja immer noch austreten», räumt Roni ein.
    «Aber dann muss es doch gar nicht erst eintreten», finde ich. Langsam wird mir die Sache etwas zu konkret.
    «Jetzt mach dich mal locker», sagt Roni.
    «Ich bin locker!», rufe ich lauter, als mir lieb ist.
    «Streitets ned!» Wieder ein Zucken im Tränensack. Dann ein Blick zum Kruzifix. «I moch aich a Angebot, des ia ned ablehna kennts.»
    Mir rutscht ein hysterisches Lachen heraus.
    Danach erklärt uns der Mann, dass für die Eheschließung bloß eines wichtig sei: Der katholische Partner müsse geloben, alles dafür zu tun, dass die Früchte seiner Ehe katholisch getauft würden. Er schaut Roni an.
    «Ob Ia Mo des akzeptiert, des is a andre Sachn und wead ned ibaprieft.»
    Er will, dass wir unsere Ehe auf einer Lüge aufbauen? Jetzt reicht es. Dieses Schmierentheater spiele ich nicht länger mit!
    «Komm, wir gehen.»
    Roni drückt mich behutsam zurück auf den Stuhl. Ich atme tief durch. Vielleicht ist das einfach der falsche Ort, um Schlachten auszutragen. Es geht Roni offenbar auch gar nicht so sehr um das fundamentalistische Christentum des Pfaffen. Das haben anscheinend sowohl der Priester als auch sie selbst erkannt. Nur ich nicht. Roni will einfach gern in einer Kirche heiraten. Jetzt fühle ich mich wie Peppone, ausgespielt von Don Camillo. Tief durchatmen.
    «Einverstanden», sage ich. Und Roni sagt: «Gott sei Dank.»
    Zum ersten Mal lächelt der Pate. «Des is schee. I trau aich.»
    «Ich hingegen traue Ihnen nicht», gebe ich zu.
    «Des is mia wurscht. I hob gmoant, i wead die Zeremonie hoitn.»
    Wenn das der Preis ist, den ich für eine gute Location zahlen muss, dann soll es in Gottes Namen so sein. Der Priester reicht mir zum Abschied die Hand, und ich frage mich kurz, ob er von mir erwartet, dass ich seinen Ring küsse. Er drückt meine Rechte, bis sie weiß wird. Erst als ich «Roni!» rufe, gibt er sie frei. Dann schlägt er vor mir das Kreuz in die Luft. Bringt aber nichts.
    Als ich mich noch einmal umdrehe, deutet der Priester mit einem Zeigefinger zuerst auf sein Auge, dann auf mich.

A GEH !
    (hochdeutsch : Ich akzeptiere Ihre Meinung, teile sie aber nicht)
    Nach Tiefenwalde fährt man von München aus sechs Stunden. Ich brauche neun. Je tiefer wir in westfälisches Waldgebiet vordringen, umso spärlicher wird der Empfang von seriösen Radiosendern. Dafür steigt das Angebot an Bürgerradios, mit deren Hilfe unterschiedlichste Interessengruppen ihre verschrobenen Botschaften über den Äther blasen. Mein Vater hatte früher selbst mal einen «Beratensender», wie er es nannte: Radio PP (Pädagogisches Programm), sprich: Radio Pepe. On Air hat er sich, wenn die Beratungsstelle geschlossen war, live um die Sorgen und Nöte der Menschen auf dem Land gekümmert. Da sowieso das ganze Dorf zuhörte, lösten sich die Probleme meist ganz von selbst.
    Roni dreht den Regler von der «Heißen Welle» (örtliche Feuerwehr) über «Streifenhörnchen FM» (Polizei) zu «Radio Rot-Weiß Rackersdorf» (regionaler Fußballverein).
    Kurz vor Tiefenwalde bleibt sie an einer sonoren Stimme hängen: Hallo, liebe Freundinnen und Freunde. Ihr hört den Pädagogischen Beratensender Radio Pepe, und für alle, die nach langer Zeit zu ihren Eltern zurückkehren, hier ein kleiner Gruß.
    Schon klingt Cat Stevens’ butterweiche Stimme durch das Auto: «Father & Son».
It’s not time to make a change
just relax, take it easy.
You’re still young, that’s your fault
there’s so much you have to know.
Find a girl, settle down
if you want, you can marry …
    «Wir können das ruhig ausmachen», schlage ich vor und greife hastig an den Regler. Peinliche Stille.
    «War das jetzt echt dein Vater?», fragt Roni nach einer Pause.
    «Mhm.»
    Kurz vor Tiefenwalde muss ich mich auf die engen Kurven des Schäferbergs konzentrieren.

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