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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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mich spießiger als die Einheimischen.
    Christoph und Roni kennen alle Leute hier mit Namen. Ich kenne nur einen: meinen Vater. Der flüchtet sich erst mal an die Bar. Ich muss mich indessen den vielen Fremden stellen. Mindestens zwei Mal höre ich Roni sagen: «Ich heirate.» Und der Angesprochene beglückwünscht Christoph: «Ach, wie toll, dass ihr noch zusammen seid. Ihr wart ja schon immer das Münchener Traumpaar.»
    «Nein, ich heirate ihn », stellt Roni dann richtig und deutet hinter sich, wo ich stehe und schweigend meinen Mai Thai hebe. Fragende Blicke proste ich einfach weg. Mein Vater unterhält sich angeregt mit einer Bedienung. Er lächelt.
    Der Wirt persönlich eröffnet den Karaoke-Abend. Ich tippe auf einen Klassiker wie «Copacabana» von Barry Manilow, werde aber enttäuscht. Er hat sich einen traditionellen thailändischen Schlager ausgesucht und schmachtet ihn mit geschlossenen Lidern so inbrünstig ins Publikum, dass mir Tränen in die Augen steigen. Liegt wohl am Mai Thai.
    Von jetzt an balgen sich die Leute um das Mikro: Ein Typ mit langen Haaren kreischt «Paranoid» von Black Sabbath, zwei jüngere Mädchen versuchen sich an Madonnas «Like a virgin». Nach dem dritten Mai Thai sehe ich Christoph auf die Bühne steigen. Die Playlist zeigt ein Duett an: «Something stupid» von Frank und Nancy Sinatra.
    «Verooo, wo bist du?», singt mein Erzfeind ins Mikrophon, als würde er Verstecken spielen. Ein Scheinwerfer findet Roni, die noch versucht, sich unter einen Tisch zu ducken. Keine Chance, ein Applaus zwingt sie mit rotem Kopf auf die Bühne. Die Musik beginnt, ohne dass ich etwas dagegen tun kann.
    Christoph singt Nancy Sinatras Part:
I know I stand in line
until you think you have the time
to spend an evening with me …
    Bei der Refrainzeile «And then I’m gonna spoil it all by saying something stupid like I love you» schaut er Roni verliebt in die Augen.
    Die Frau neben mir singt lauthals mit, nimmt einen Schluck aus ihrer Bierflasche und lächelt mich an: «Ein schönes Paar, nicht wahr?»
    Ich leere meinen vierten Mai Thai in einem Zug. Jetzt kommt Ronis Einsatz. Ach, sie kann so schön singen! Ich weiß noch, wie ich sie in Berlin das erste Mal auf der Bühne gesehen habe. Schon ihre Stimme wäre Grund genug, sich in sie zu verlieben. Ich verstehe gar nicht, wie sich Menschen einfach so mit ihr unterhalten können.
    Unfähig, mich zu rühren, muss ich zusehen, wie meine Verlobte mit Christoph auf der Bühne das Pärchen gibt. Gleich wird sie ihm im Refrain «I love you» vorsingen.
    Mein Vater taucht neben mir auf. «Ich dachte, du wolltest um deine Frau kämpfen?», sagt er und zieht die Augenbrauen hoch.
    Stimmt, das hatte ich eigentlich vor. Aber macht das überhaupt noch Sinn? Gehört Roni nicht eher hierher, zu diesen tollen Leuten und zu diesem tollen Christoph, mit dem sie so viel verbindet?
    Roni schaut suchend ins Publikum. Instinktiv hebe ich die Hand und winke. Sie lächelt, schaut mir direkt in die Augen und singt: «And then I’m gonna spoil it all by saying something stupid like I love you, Waschtl.»
    Ich bekomme eine Gänsehaut.
    «Das ist meine Verlobte», rufe ich. « Meine !»
    Die Frau mit der Bierflasche prostet mir zu, und wir singen zu dritt mit meinem Vater:
But then I think I’ll wait
Until the evening gets late
and I’m alone with you
    Der Alkohol und Ronis Performance haben mich locker gemacht. Ich will als Nächster ans Mikro. Die Songs muss man sich vorher aus einem Katalog aussuchen, sich die Nummer merken und dann auf der Bühne in die Maschine eingeben. In dem Katalog stehen nur Oldies und Hits aus den Achtzigern. Aber ich finde ein Schätzchen, das Ronis coolen Hip-Hop-Freunden imponieren wird: «In da club» von 50 Cent. Ein Klassiker, kennen alle, da kann jeder den Refrain mitgrölen, und ich muss nicht singen, sondern kann rappen. Außerdem kenne ich den Text fast auswendig.
    Als Roni fertig gesungen hat, helfe ich ihr von der Bühne. Christoph schlägt meine Hand aus und springt selbst herunter. «Der Song war übrigens Nummer X3T8», ruft er mir zu. «Falls du auch mal mit Roni ein Duett singen willst.»
    «Schönen Dank», erwidere ich kühl.
    Dann stehe ich auf der Bühne und habe die Nummer von meinem Hit vergessen. Wie ging die noch? X5B4? X4B5? Mist.
    «Mach schon», ruft einer aus dem Publikum.
    «Der singt bestimmt ‹Dickes B›», ruft ein anderer.
    Ich muss mich auf meinen Instinkt verlassen. Also: X4B5.
    Kaum habe ich den Knopf

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