Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
erzählt er, dass er ja eigentlich in Bayern geboren sei und dass er sich sogar vorstellen könnte, wieder hier ins Umland zu ziehen. Vielleicht muss er echt einfach mal wieder unter Gleichaltrige.
Am späten Nachmittag kommen wir bei Ronis Eltern an. Knoll öffnet.
«Kriehas Kott», sagt mein Vater zu laut in seinem schrecklichen Pseudo-Bairisch und hebt die Hand wie ein Kavallerie-General, der sich bei einem Indianerhäuptling einschmeicheln will. «Moaaakst ohaa Haxen?»
«Naaa», sagt Knoll. «Mogst du a Stickal Doadn?»
«Wie bitte?»
Eine halbe Stunde später sitzen wir zu fünft am Kaffeetisch. Regina hat gleich zwei Kuchen und zwei Torten gebacken. Mein Vater schlemmt, was das Zeug hält. Wir haben Ronis Eltern gebeten, vorerst nicht nach meiner Mutter zu fragen, um ihn zu schonen. Anscheinend geht unser Plan auf. Mit Regina versteht sich mein Vater bestens. Nur Knoll versteht meinen Vater nicht. Weil der darauf beharrt, weiterhin Dialekt zu sprechen.
«Iha wuade in Garmisch-Partenkirchen geborahn!», brüllt er gerade.
«Und i bin ned dorat», entgegnet Knoll. Er greift in seine Brusttasche, holt eine Zigarette heraus und geht vor die Tür. Ich nutze die Gelegenheit, um meinen Vater zu bitten, doch lieber wieder hochdeutsch zu sprechen.
«Ich wohne jetzt schon zwei Jahre hier, und Knoll musste mir Bairisch erst beibringen. Trotzdem werde ich nie sprechen können wie ein gebürtiger Bayer.»
«Aba ihi hoab des Bairisch im Bluhat. I wuhade in Bayohan geborahn.» Fast schäme ich mich, ihn zu verstehen. «Ihin Gaharmihisch, ihamm Schihiuhalaub. Iha muhass miha bloßi no eini finden in die Sproachen.»
«Papa, das ist peinlich.»
«Deho Knolli verstäht mi fei schohon», behauptet er und nickt eifrig zu meinem zukünftigen Schwiegervater hinüber. Der lehnt indes in der Terrassentür und schüttelt nur heftig den Kopf. Doch mein Vater lässt sich davon nicht entmutigen. Als wenig später erneut betretenes Schweigen über dem Tisch liegt, ergreift Roni die Initiative.
«Ihr macht doch beide Musik, vielleicht könnt ihr ja mal zusammen was spielen?» Sie sieht meinen Vater und Knoll auffordernd an.
«Wiehiwaldi», schlägt mein Vater vor. Knoll schüttelt wieder entsetzt den Kopf. Dann seufzt er.
«Wos spuist denn?»
«Die Fihidel!», antwortet mein Vater.
«Geige», übersetze ich. Knolls Gesichtsausdruck verdüstert sich.
«Uhund ein poar andere Streiheichinstrumentl. Koantraboass zum Beispiehal.»
«I mog koa Streicher ned. Liaba a Blasmusi.»
Stille.
Ich erkläre Roni im Flüsterton, dass Streicher und Bläser in den meisten Orchestergräben verfeindet sind. Sie stützt den Kopf in die Hände. Knoll geht noch mal eine rauchen. Der Blick meines Vaters richtet sich nach innen. Oje.
Wenig später verabschiedet sich Knoll. Er hat noch eine Verabredung im Trachtlerhof.
«Mit wem denn?», fragt Regina erstaunt.
«Mo schaugn wea do is.»
Kaum ist Knoll weg, lässt mein Vater erneut den Kopf sinken. Dafür spricht er aber auch wieder hochdeutsch. «Habe ich etwas Falsches gesagt?»
Regina legt ihm die Hand auf die Schulter.
«Nein, du hast es nur nicht ganz korrekt ausgesprochen. Aber das passt schon.»
Ich bin mir da nicht so sicher.
Roni und ich hatten insgeheim gehofft, dass mein Vater gleich bei Knoll und Regina im Gästezimmer übernachtet. Zumindest mal für eine Nacht. Daraus wird jetzt wohl nichts.
Einerseits hätte ich mir gewünscht, dass dieses erste Treffen der Familien etwas harmonischer abläuft – andererseits bin ich froh, in der Karaoke-Bar einen Musiker dabeizuhaben. Vielleicht kann er das Playback singen, und ich bewege dazu synchron meine Lippen. Wie bei Milli Vanilli.
Die Karaoke-Bar entpuppt sich als thailändisches Restaurant. Der junge Wirt hat es «Happy Ending» genannt. Er trägt eine zu große Brille, ein zu grelles T-Shirt und zu lange Haare, sieht aber trotzdem einfach zu cool aus.
Um Mitternacht werden die Tische beiseitegeräumt, Sessel in den Raum geschoben und eine Karaoke-Maschine auf die Bühne gestellt. Kurz nach zwölf ist das Happy Ending gerammelt voll. Ich hätte mir weniger Publikum gewünscht und auch weniger von Ronis alten Freunden, diesem bunten Gemisch aus oberbayerischen Partytieren in Lederhose, Graffiti-Sprühern und HipHoppern, die aussehen wie Models, was wohl daran liegt, dass die meisten von ihnen als Models arbeiten (natürlich nur, um das Philosophiestudium zu finanzieren). Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in München fühle ich
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