Jack Fleming 02 - Blutjagd
Weste nicht getragen hätte ... Mochte er die Sache auch leichthin abtun, ich war dazu nicht in der Lage. Er hatte nicht mit angesehen, wie sich eine Knarre auf sein Gesicht richtete und der Mündungsblitz ihm die Augen versengte. Ich berührte die Stelle, an der die Bleikugel eingeschlagen war: Kein Schmerz folgte, und Fleisch und Knochen waren glatt und unversehrt.
Als ich meine Hand senkte, zitterte sie. Ich schwankte zwischen Staunen darüber, was ich überlebt hatte, und Furcht vor dem, was aus mir geworden war. An einer Wand hing ein kleiner Spiegel, in dem nur der leere Raum zu sehen war – sonst nichts.
Ein Schauer lief mir über den Rücken, ich wandte mich ab und zog mich fertig an.
Als ich wieder in einigermaßen präsentablem Zustand war, ging ich hinunter zu Escott, der sich auf einem Sofa im Wohnzimmer ausgestreckt hatte. Er sah müde aus.
»Das müsste dich wieder aufmuntern.« Ich legte das Geld neben sein Glas, das auf einem niedrigen Tisch stand.
»Was denn?« Er drehte den Kopf. »Ach ja, das hatte ich ganz vergessen.«
Ich ließ mich in einen Ledersessel fallen. »Wie kann man zweitausendfünfhundert Eier vergessen?«
»Zwölfhundertfünfzig. Die Hälfte davon gehört dir.«
»Komm schon, Charles, ich stand heute bloß im Weg, sonst nichts.«
Ein leichtes Lächeln spielte um einen Mundwinkel. »Wenn du darauf bestehst. Aber egal, wie unser nächtliches Unternehmen nun hätte ausgehen können, haben deine Dienste für die Agentur Escott Anspruch auf Vergütung. Ich wollte dir schon alles geben, dachte aber, dass du es nicht annehmen würdest.«
»Da sei dir mal nicht so sicher.«
»Ich stell dir nachher noch eine Quittung aus.«
»Für den Fiskus?«
»Natürlich. Ich war schon immer beeindruckt von der Art und Weise, wie die Regierung Capone 1929 schließlich doch noch zu fassen kriegte.«
»Was hat das mit mir zu tun?«
»Mit uns beiden, mein Lieber. Nicht deklarierte Einkünfte und Einkünfte ohne Tätigkeit gehören zu jenen Dingen, die früher oder später auffallen. Gerade jemand in deinem speziellen Zustand sollte nicht unnötig Aufmerksamkeit auf sich lenken.«
»Okay, ich verstehe schon, was du meinst. Was ist mit dem Zaster, den wir im August der Paco-Bande abgenommen haben?«
»Damals sagte ich, wir sollten das Geld als Kriegsbeute ansehen, aber inzwischen beabsichtige ich, meine Hälfte zu versteuern. Ich frage mich, ob das Frisieren von Unterlagen zugunsten des Fiskus irgendwie strafbar ist ...«
»Meinst du denn, dass so etwas in einer Bürokratie auffällt? Und seit Roosevelt ins Weiße Haus einzog, ist die Verwaltung noch aufgeblasener und viel komplizierter geworden.«
»Ich sehe es ein: Es war eine lächerliche Frage. Nun ja, vermutlich sollte ich das Geld in eine Matratze einnähen und in kleinen Summen über die Jahre verteilt in die Steuererklärung aufnehmen. Was soll's, ein Prosit auf das Verbrechen.« Er leerte sein Glas und verzog das Gesicht.
»Alles in Ordnung mit dir?«
»Wahrscheinlich schon. In den nächsten Tagen werde ich wohl nicht so ganz geschmeidig sein. Ein elendes Pech, dass sie mich an derselben Stelle getroffen hat.«
»Sehen wir uns das mal an.«
Seine Anzugweste hatte er bereits abgelegt. Jetzt zog er das Hemd aus, und ich half ihm aus seiner kugelsicheren Weste. Links unterhalb der Rippen war eine dünne rote Narbe von etwa zehn Zentimetern Länge. Sie stammte vom Messer eines Schlägers, der ihn vor nicht allzu langer Zeit hatte aufschlitzen wollen. Seine langen Finger betasteten die Stelle, und er zuckte leicht zusammen.
»Ah ja, sie traf mich etwas tiefer, als ich dachte. Nichts Ärgeres als eine üble Prellung und ein leichter Schock. Nicht ganz ohne Glück, wenn ich bedenke, aus welcher Nähe der Schuss kam.«
»Charles, Glück war so ungefähr das Einzige, das heute Nacht auf deiner Seite stand. Wenn sie ein bisschen besser oder auch schlechter gezielt hätte, dann hätte sie dir vielleicht den Schädel weggeblasen.«
»Du erwähntest so etwas schon einmal.«
»Ich werde es gleich noch mal erwähnen. Du hast mich derart erschreckt, ich hätte mir fast in die Hosen gemacht.«
»Ich weiß deine Besorgnis wirklich zu schätzen, aber schließlich ist nichts Ernstes passiert, und ich beabsichtige in Zukunft vorsichtiger zu sein.«
»Meinst du das ernst?«
»Gewiss. Dies war ein Einzelfall. Bevor ich dich traf, war die gewalttätigste Auseinandersetzung meines bisherigen Daseins die Begegnung mit einem übel gelaunten
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