Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
Vom Netzwerk:
in den Taschen als Reue?«)
    So redete er weiter, bis Mister Morris und der
    Kapitän zu Fetzen ängstlicher Feigheit zerrissen waren – »kleine Männer, kleine Männer in der Zunft
    … nur wenig zünftig … zu wenig, um auf den gol-
    denen Traum, der so nahe segelt, einen Schatten zu
    werfen …«
    Mister Taplow sog das verderbliche Gift mit jedem
    Atemzug ein, den er tat.
    54
    »Und sie ist bestimmt unbewaffnet, das schwörst
    du?«
    »Nicht genug Pulver, um die Nase unserer Molly
    zu pudern.«
    »Und alles andere –?«
    »– ist, wie ich’s gesagt habe.«
    »Dann tue ich’s!«
    Die Worte fielen wie Hammerschläge und schienen
    das Schiff von Bug bis Heck zu erschüttern. Ich dach-te, sie seien fertig. Ich dachte, selbst Trumpet sei erschreckt von der Leidenschaft des Ungeheuers, das er geschaffen zu haben glaubte. Und vielleicht war er’s.
    Denn jetzt offenbarte sich eine andere, unheimlichere Seite von Mr. Trumpets Wesen. Mister Taplow hatte
    sich verpflichtet, aber sein Versucher schlängelte sich davon. Er überlegte sich die darin liegende Gefahr. Er fürchtete, sein »alter Freund« könnte verraten werden, bevor etwas erreicht war. Er bat den ertappten Mister Taplow, es sich noch einmal zu überlegen, bevor er den unheilvollen Schritt tue. Hätte ich nicht gehört, was vorangegangen war, dann hätte ich geschworen, daß er gegen den Walliser war und ver-
    suchte, ihn mit Vernunftgründen aufzuhalten. Aber
    irgendwie entfachten seine Worte die Flammen noch
    wilder als zuvor – und Mister Taplow keuchte förm-
    lich in ihrer Glut. Der Widerspruch hatte ihn be-
    stärkt, seine Schwächen waren ausgebrannt und ver-
    siegelt vom inneren Feuer.
    »Bis morgen dann?«
    »Zwölf Uhr Mittag. Sei am Achterdeck.«
    55
    »Das Signal?«
    »Habe ich dir gesagt.«
    »Bin ich nicht mit einverstanden.«
    »Ist mir egal.«
    »Ändere es!«
    Ja – ändere es, guter Mister Taplow. Sprich es aus, damit Jack es hören kann. Ändere es, um meiner lieben Person willen. Denn ich kann nicht viel länger
    aushalten. Ich hatte einen starken Reiz zu niesen,
    verbunden mit einem plötzlichen heftigen Jucken, das gekratzt werden wollte – und die Leitersprosse
    schnitt mir in die Hände, daß ich dachte, mir würden die Finger abgetrennt. Aber Mister Taplow wollte
    das Signal nicht ändern. Dringend beschwor ihn Mi-
    ster Trumpet, aber wie vorher machte ihn der Wider-
    spruch nur noch unnachgiebiger. Ich glaubte, daß
    Mister Trumpet das Signal ehrlich nicht mochte –
    und jetzt den Lohn für seine eigene Verschlagenheit erntete. Er konnte nichts erreichen. Auf alle seine Beschwörungen kam Mister Taplows wütendes, knar-
    rendes »Nein!«
    »Ich bitte dich, solange noch Zeit ist –«
    Aber es war keine Zeit mehr. Sie war abgelaufen.
    An Deck hatte Mister Morris angefangen zu fluchen
    und zu schreien und die fehlenden Männer aufzustö-
    bern. Die Sturmsegel sollten aufgezogen werden.
    »Suckling! Clarke! Taplow! Jack! An Deck! Alle
    Mann an Deck! Ich schlage alle Hände ab, die faul
    sind. Taplow! Taplow, sage ich!«
    Ich floh hinauf in das Durcheinander an Deck.
    56
    Gott weiß, ob ich gehört oder gesehen wurde. Ich
    glaube nicht – denn hier war der Teufel los und eine verwirrende Hast.
    Mister Morris war allgegenwärtig. »Der Sturm!
    Der Sturm!« schrie er unablässig. »Beeilt euch! Zieht sie auf vor dem Sturm!«
    Aber er kam zu spät. Ich wußte, daß er zu spät
    kam. Der Sturm war schon losgebrochen – in Mister
    Taplows Herz.
    VI
    Eine arbeitsreiche, wilde Nacht, das Deck wie ein
    Straßenmarkt mit Riesenmengen von Leinwand ausge-
    legt und aufgestapelt. Jeder Mann an Bord (außer Mister Trumpet) schleuderte, schleppte, hievte und sicherte, bis der Schweiß pfützenweise hinunterlief und von Deck hochdampfte. Der Wind hatte sich ganz gelegt, und da sich die Luft nicht regte, wurde alles schal vor ausgestoßenem Atem.
    Kurz vor Mitternacht fühlte ich mich schwach und
    übel und mußte mich über die Reling beugen. Der
    Schein unseres Lichtes zeigte, daß wir immer noch da-hinkrochen, wenn auch so langsam, daß wir nur ein
    dickliches, träges Kräuseln des Wassers verursachten, das ständig von unserem Bug ablief wie ein endloser schwarzer Wurm.
    Ich ging zur Kombüse, um mich ein Weile hinzule-
    gen – und war überrascht, den Besuch von Mr.
    57
    Trumpet zu erhalten. Er stand in der Tür und be-
    trachtete mich.
    »Was wollen Sie, Mr. Trumpet?«
    Er zögerte. »Sagst du – sagst du keine Gebete, be-
    vor du

Weitere Kostenlose Bücher