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Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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Welche Ekstase? Als mein Geistesblitz
    aufhörte, fühlte ich mich so übel wie nie zuvor in
    meinem Leben. Die Klarheit, die Vision, die die Welt in Schach hielten, zerplatzten – und der ganze Tumult in der Hütte stürzte über mir zusammen.
    Mister Trumpet schrie: »Sie sind Glas! Angestoße-
    nes Glas. Ich weiß es. Ich war Juwelier. Schert euch nicht um diesen Jungen. Er fiebert. Beraubt ihn nicht.
    Es ist Glas, sage ich. Wertlos! Wertlos! Nur sentimen-taler Wert. Ihm von seiner Mutter hinterlassen.«
    »Sehr törichter junger Herr, Sir. Sehr törichter
    Herr. Zu jung, um reich zu sein, Sir.«
    »Auf meine Ehre, ihr Herren …« Mister Fared
    kämpfte, um sich Gehör zu verschaffen. »Auf meine
    Ehre … unwahr, was Sie sagen. Geehrte Herren – sie
    sind nicht Glas … verzeihlicher Fehler … gewiß, ge-
    wiß – nichts für ungut … wir machen hier Geschäfte
    … der junge Mann hat ein Gebot abgegeben – ich
    nehme es an … Ich nehme es an! Selbst wenn alles Glas wäre! Bei meinem Wort. Ich habe Ehre – immer
    noch …«
    Und die beiden Kapitäne schrien und wüteten und
    brüllten Mister Fared und Mister Trumpet und Mi-
    ster Thompson und einander an, aus Liebe zu den
    kleinen hellbunten Dingern, von denen die Natur
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    selbst so wenig gehalten hat, daß sie nur wenige von ihnen erzeugte.
    »Die Versteigerung ist zu Ende, meine Herren. Ich
    habe sie allesamt gekauft!« hörte ich mich sagen und hatte keine Ahnung, ob ich es schon vorher gesagt
    hatte. Und wenn ich es gesagt hatte, hatte mich dann jemand gehört? Und wenn sie’s gehört hatten, war
    der Handel perfekt? Und wenn er perfekt war, wann
    erfolgte dann die Übergabe?
    »Du bist aufgestanden und hast auf den Tisch gepol-
    tert«, sagte mir Mister Trumpet hinterher. »Hast geschrien, du hättest sie allesamt gekauft. Einige der Edelsteine sprangen hoch und fielen zu Boden. Dann
    bat Mister Fared kreischend um Ruhe. Aber niemand
    kümmerte sich darum, und Sir Joseph versuchte seinen großen Huf auf einen Diamanten zu stellen und scharrte auf dem Boden wie ein Pferd, um ihn näher zu sich zu bringen. Aber Mister Fared sah ihn, und Lady
    Downs verlor einen Anhänger, den sie schon fast hatte.
    Dann stürzten wir irgendwie alle hinaus in die
    staubige Sonne. Alle, außer Mister Fared, der es fer-tigbrachte, drinnen hängenzubleiben und seine Ta-
    schen mit deinen Steinen zu füllen, Jack. Mein Gott!
    Wie das klimperte, wenn er ging.«
    Aber davon weiß ich nichts mehr. Ich muß be-
    wußtlos geworden sein, denn das nächste, was ich
    weiß, ist, daß ich unter meinem Kaufgut war, den
    Sklaven – meinen sechshundert.
    »Alle Ihre, junger Herr. Alle Ihre!« Mister Fared
    zitterte vor Reichtum und Höflichkeit.
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    »Was wollen Sie mit ihnen anfangen?« brüllte Sir
    Joseph. »Sechshundert Stück!«
    Wahrhaftig, was sollte ich mit ihnen anfangen? Sir
    Joseph hatte seinen behaarten Finger daraufgelegt.
    Sechshundert und alle mein. Mein Gott! Pestartig
    schienen sie sich um mich zu drängen – angstvolle,
    blutende Gesichter alle …
    »Fünf Pfund pro Stück gebe ich dir, Junge! Fünf
    Pfund pro Stück und dazu den weißen Mann!« lockte
    Kapitän Farmer. (Was für eine weiche Stimme der
    harte Mann hatte.)
    Fünfmal sechshundert? Dreitausend Pfund. Ein
    kleines Vermögen. Im Austausch gegen eine Million?
    Kein solcher Narr, Jack! Nicht so ein mickriger Narr.
    Zum Teufel, Kapitän Farmer! Ich will mehr für mei-
    ne Million als dreitausend schweißige Pfund.
    »So ist’s richtig, junger Herr – das ist die rechte Gesinnung. Lassen Sie sich von niemand betrügen –«
    »Sir! Junger Sir! Denken Sie daran: dreitausend
    Pfund in Tasche besser als nichts: Sir!«
    »Sechs Pfund zehn pro Stück – und vierzehnhun-
    dert Guineas für den Pygmäen!« jetzt der Portugiese, lächelnd und sich an mich heranmachend, daß ich
    gegen Mister Trumpet zurückgedrängt wurde.
    »Verdammt noch mal, Jack! Was willst du mit de-
    nen allen anfangen? Antworte mir, Jack. Antworte!
    Antworte, bevor wir in dieser schrecklichen Sonne
    verfaulen.«
    Denn die Sonne war in diesem Augenblick schreck-
    lich und stierte runter wie ein zorniges Auge. Und die 197
    Welt darunter war auch schrecklich – voller habgieriger, speichelleckender, einst weißer Gesichter, zu
    schweigen von den sechshundert traurigen, schwar-
    zen …
    Was hatte ich im Sinn? Nichts, außer daß es heiß
    war, und die Fliegen so lästig wie die Männer, beide wollten mich nicht in Frieden lassen.

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