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Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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würde.
    Mister Thompson war bis zum letzten Augenblick
    freundlich, was auch zu verstehen war, da er an unserer kurzen Bekanntschaft erheblich verdient hatte,
    einschließlich der letzten zehn Pfund für die feine Schale Seiner Lordschaft. (Einen Stock mit goldenem Knauf mußte er haben! Als hätte ihn schlichtes Holz nicht ebenso gut gestützt!) Er schüttelte uns allen die Hand – meine zuerst und zuletzt – und sagte, dies sei ein Tag, den er sein ganzes Leben in Erinnerung behalten werde. »Holborns Tag« wollte er ihn nennen –
    »Holborns Tag: der dreiundzwanzigste September.
    Jedes Jahr mache ich mir daraus einen Feiertag und
    tue keine Arbeit. So! Um mich an Ihre liebe Person zu erinnern, Sir!«
    204
    Am späten Nachmittag des dreiundzwanzigsten
    September gingen wir also an Bord der Lady Jane.
    Und als wir sie betraten, fiel mir ein, Lord Sheringham an etwas zu erinnern. Das tat ich auch, und er
    wandte sich um und sah mich mit verletzter Überra-
    schung an – als hätte ich ihm ein Messer in den Leib gesteckt.
    »Mein Lord«, sagte ich. »Dies ist das zweite Mal , daß ich Sie gerettet habe. Jetzt fehlt nur noch ein Mal.«
    XX
    Der erste Tag auf See, hell und schwach bewegt mit
    einem guten Wind von achtern. Wenn es so blieb,
    konnten wir bis November in Weymouth sein.
    Die Nacht kam scharf und plötzlich in diesen Ge-
    wässern, wobei die Sonne wie ein Goldstück in eine
    stille Tasche schlüpfte. An allen Punkten, Steuerbord und Backbord, wurden Doppelwachen ausgestellt,
    und zwei Mann blieben im Mastkorb.
    Dann ging ich allein zu Bett, während Mister T.
    und Lord S. (»Mister Rogers« an Bord: schlicht »Mi-
    ster Rogers«) bis spät in der großen Kajüte aufblieben, zusammen mit Sir Joseph und Kapitän Farmer,
    und über dem klebrigen, Übelkeit erregenden Madei-
    rawein hindämmerten.
    Als Mister Trumpet und »Mister Rogers« zurück-
    kamen, sprachen sie laut miteinander, bis ihnen ein-205
    fiel, daß ich vielleicht schlief. Sie taumelten also in ih-re Betten, während ich ruhig dalag, wartete, bis sie einschliefen und es mir überließen, die Nacht über
    wachzuliegen, während die Lady Jane seufzte und
    knarrte wie eine vornehme Matrone in ihren Kor-
    settstangen.
    Am Ende der ersten Woche wurden wir so plötz-
    lich von einem Sturm überfallen, daß uns keine Zeit blieb, die Sturmbesegelung aufzuziehen. Unser Focksegel wurde mitten durchgerissen, und der Segelma-
    cher brauchte zwei Tage, um den Schaden zu reparie-
    ren. Er steppte und grunzte und zerrte die lichtlangen Stunden.
    »Sachte da. Uff! Siehst du diese Hände? Diese gerif-felten Finger, Junge? Präg sie dir ein, und wenn du einen Mann mit solchen Hornhänden siehst, dessen Zei-
    gefinger so tief und glänzend gerillt ist, dann kennst du sein Handwerk und ehrst ihn dafür. Kauf ihm einen
    Krug Ale und sage: ›Es gibt bessere Dinge zu nähen als Leichentücher und Hosen, Sir. Und Ihre Hände sind es, die sie nähen. Ich stoße an auf gutes Wetter, Sir, für alle Ihre salzigen Tage.‹ Uff! Uff! Sachte da! Straff!
    Straff!«
    Am Tag, der dem Sturm folgte, kamen wir an
    mehreren abgebrochenen Masten vorbei, deren Bruch
    noch frisch war; deshalb setzten wir einen Ausguck
    nach anderen Anzeichen eines Wracks. Aber wir sa-
    hen keine, und man nahm daher an, daß die Spieren
    alles waren, was von dem allzu leichten Portugiesen übrig war – »mit Mann und Maus gesunken«.
    206
    Mister Fared war an Bord gewesen, der reiche Mi-
    ster Fared mit allen meinen Edelsteinen. Jetzt schwebte er drunten wie Mister Pobjoy und Mister Taplow
    über die zwischen ihnen liegenden Steine.
    Nach fast sechs Wochen legten wir in Lissabon an,
    wo Kapitän Farmer und Sir Joseph ihre Ladung von
    Salz und Seide für viele Fässer Portwein und Madeira verkauften, und »Mister Rogers« mir in freundlicher Stimmung vorschlug, ich solle, wenn sich nichts anderes anbiete, mit ihm nach London kommen und in
    seinem Haus meine Heimstatt aufschlagen. Er sagte
    das zögernd – und erinnerte sich dann, daß er erst
    etwas Geschäftliches zu erledigen hätte, was ein paar Tage in Anspruch nehmen könnte. Aber er versicherte mir, er werde dafür sorgen, daß ich in der Zeit gut versorgt würde.
    Dies, nahm ich an, war dafür, daß ich ihm das Le-
    ben gerettet hatte. Ich hielt den Handel für ungerecht.
    Es schien mir, daß ich betrogen wurde. Und mit dem
    liebenswürdigsten Lächeln. Das verschwand, als ich
    ihm sagte, er solle sich etwas Besseres ausdenken, um seine

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