Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack Holborn

Jack Holborn

Titel: Jack Holborn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
Vom Netzwerk:
ich verstört.
    »Ein sehr unartiger Mann – unzufrieden wie alle Meuterer. Ein Mann, sehr geneigt, andere zu bearbeiten: und stets bereit, selbst nicht zu arbeiten.« (Woraus ich schloß, daß er Mister Pobjoy keine Hilfe angeboten hatte, als man ihn darum ersucht hatte.)
    »Von was für einer Klasse Schiff ist er denn gekommen, Mister Pobjoy?«
    »Jedenfalls von einem Klasseschiff, so sehr Klasse, daß man ihn ausgesetzt hat, statt ihm die schleimige Kehle durchzuschneiden.«
    Dann erzählte mir der schlaue, geheimnisvolle Mister Pobjoy, der sich alles zusammenreimte, was er gewußt und gehört hatte, und der mit erstaunlicher Schärfe witterte, aus welcher Richtung ein schlimmer Wind blies, die Mär von einem Schiff mit Namen Esperance. Ich hatte nie von ihr gehört, wohl aber Mister Pobjoy, und Mister Taplow – und eine ganze Reihe ähnlich verzweifelter Träumer.
    Vor zwei Jahren war sie von Plymouth abgesegelt mit einer Ladung von scharfen Getränken, alten Musketen und billigen Glasperlen. Sie war der Teufel weiß wohin gesegelt und hatte ihre Ladung für einen Riesenschatz von Gold und Juwelen verkauft. Hatte den Laderaum damit gefüllt. Lag danach so tief im Wasser, daß sie von weiter weg als einer halben Meile nicht ausgemacht werden konnte.
    Manche sagten, sie sei im Indischen Ozean, manche sagten, sie sei im Gewässer von Virginia, manche sagten, sie umsegle das Kap der Stürme, und manche sagten, sie liege auf dem Meeresgrund mit ihrer ganzen Mannschaft, wohlversorgt als Skelettmillionäre. Aber die Wahrheit lautete anders … Sie schlich sich in die Heimat.
    »Eine reife Pflaume ist die Esperance: ja, gewiß, eine fette reife Pflaume. Aber in dieser Pflaume wuchs eine Made – eine gewitzte, gefräßige kleine Made mit Augen schnell wie Korken.«
    Hier spie Mister Pobjoy und drückte den Daumen aufs Brett – wie er’s mit Maden tat.
    Jetzt erzählte er von dem Unheil an Bord der Esperance; von Unzufriedenheit und Habgier, von Plünderung und Mord und Meuterei über Meuterei, als der riesige Schatz danach ächzte, gestohlen und ausgegeben zu werden. Er erzählte von Hängen und Stechen und schneller Beisetzung auf See, von bitterem Streit und verzweifelten Machtkämpfen und von der kleinen Made, die sich von Seite zu Seite fraß und ihren Anteil an der Pflaume ständig vergrößerte, indem sie Blutvergießen stiftete … niemals auf jemandes Seite als der eigenen … bis sie schließlich, durch Unglück oder Irrtum sich krümmend an das grimmige Tageslicht gefischt wurde.
    »Warum haben sie ihn nicht getötet?« warf ich ein, und Mister Pobjoy sah ehrlich verblüfft aus.
    »Man findet nur schwer einen Grund, warum man einen Mann nicht umlegt«, sagte er endlich.
    »Und – er hat Ihnen – das alles – erzählt?«
    »Behüte, nicht mit der Zunge. Mit den hurtigen Augen und diebischen Fingern. Und den abgleitenden Blicken. Was mit der Zunge erzählt wurde, weiß der Teufel. Frag lieber die, die zuhörten. Aber den meisten verging das Hören, als der Name Esperance fiel. Ein mächtiger Ohrstopfer, das!«
    Dann mit einer fröhlichen Mahnung, ihn diese Nacht nicht zu wecken wie die vorige, oder er würde mir die Kehle mit einem Schweinemesser aufschlitzen, schlurfte er zu Bett, leergeredet, aber voller Gin.
    In ungeheurer Aufregung lag ich da und brütete über den Charakter und die Absichten von Mister Solomon Trumpet. Mister Pobjoy glaubte ich aufs Wort. Niemand hatte eine schärfere Nase für das Böse als er: und er schnüffelte ständig. Er schnüffelte selbst im Schlaf, als ob seine Träume verdächtig seien.
     

    Jetzt verstand ich, was die Hand auf meiner Schulter bedeutet hatte. »Wach auf, Jack! Ich öffne dir den Weg, dein Versprechen einzulösen. Mit schnellem Witz kannst du mir das Leben retten. Paß – auf – diesen – Burschen – Trumpet – auf – für mich!«
     
    Ich traf ihn am nächsten Morgen an der Backbordreling. Ich kam von Mister Morris und trug einen leeren Napf, und er stand lässig angelehnt, den Rücken zum Meer und beobachtete mich.
    »Guten Morgen, Jack, alter Junge.«
    Ich sah ihn mir gut an. Er war schlank, ein wenig unter mittelgroß und gut angezogen in einfarbig braunem Stoff. Seine Haut war glatt und rosig, mit lebhaften roten Lippen und schurkischen braunen Augen, unter denen kleine Taschen wie Geldsäcke hingen. Diese wurden fett und voll, wenn er lächelte: »Guten Morgen, habe ich gesagt.«
    Ich antwortete nicht, sondern setzte meinen Weg fort und blickte

Weitere Kostenlose Bücher