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Jack Holborn

Jack Holborn

Titel: Jack Holborn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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Meilen oder mehr …«
    Ich streckte die Hand aus, um einen Halt zu finden – und fand, daß ich hart an der Backbordreling stand. Und das war sehr seltsam, denn die Stimme war von links gekommen, wo es nichts gab als das leere Wasser …
    Ich gelangte zum Achterdeck, ohne sie wieder zu hören, aber mein Herz pochte so heftig, daß ich davon geschüttelt wurde und kaum den Haferschleim ruhig halten konnte. Ich war furchtbar erschreckt worden und muß weißer ausgesehen haben als der Nebel, denn Mister Morris sah mich fragend an, als er den Napf in Empfang nahm und wollte wissen, ob ich krank würde. (Seit er den Kapitän pflegte, war er gütiger geworden, als hätte er sich’s dadurch angewöhnt.)
    »Geht es ihm besser, Mr. Morris?«
    »Ja-a … aber –«
    Ich wartete, weil mich das »aber« sehr beunruhigte.
    »Er hat eine Menge Blut verloren und ist sehr schwach«, endete der Meister. »Meistens schläft er.«
    Ich war sicher, das war’s nicht, was er hatte sagen wollen, denn sein »aber« hing noch zwischen uns in der Luft. Trotzdem war nicht mehr aus ihm herauszukriegen.
    Daher ging ich mit düsteren Gedanken zurück zur Kombüse. Dann stand der Schatten des Hauptmastes plötzlich vor mir auf, und ich wäre zur Seite getreten – als er eine große Hand auf meine Schulter fallen ließ.
    Ich sah, daß es Mr. Taplow war, der finster blickte und gegen die Schwaden die Augen zukniff. Er muß mich gesehen haben, wie ich achtern ging, und auf meine Rückkehr gewartet haben.
    »Ist er tot, Jack? Ist er tot?«
    »Er schläft, Mr. Taplow.«
    »Hast du ihn denn gesehen?«
    »Mister Morris hat’s mir gesagt –«
    »Gelogen! Er ist tot, und Mister Morris segelt für einen Geist!«
    »Das stimmt nicht! Er lebt –«
    »Tot! Tot! Tot! Tot wie Granit. Tot wie Eisen. Tot wie stinkendes Pech!«
    »Er lebt, sage ich Ihnen!« Plötzlich schien das Leben des Kapitäns zwischen seinem Wunsch und meiner Hoffnung zu schweben.
    »Und ich sage nein!« Er hämmerte die Worte wie Nägel. »Kennst du nicht das Gefühl auf einem Schiff, wenn eine Leiche an Bord ist? Daß es stinkt wie ein Sarg und geht wie ein Leichenzug?«
    Sam Fox kam aus dem Nebel, von dem Klang unserer Stimmen angelockt. Mister Taplow war dabei, und wir drei standen zusammen und wußten nicht, wollten wir den Tod oder klammerten wir uns an die Seele des bösen Mannes, der in seiner Kajüte lag.
    »Er ist hinüber. Das Schiff stinkt nach Tod.«
    »Sie irren sich. Er hat viel Blut verloren und schläft –«
    »Wohl! Wir alle kennen den Schlaf. Und ich sage dir –«
    Aber dazu kam er nicht. Er hielt inne, und wir standen sehr still, als aus dem weißen Nebel die unheimliche Stimme von neuem sang:.
    »Fahr’ ich in die Weite,
    komm’ ich doch wieder,
    fahr’ ich auch tausend Meilen oder mehr …«
    »Da ist es wieder«, flüsterte Sam Fox, und er und Mister Taplow starrten mich an, als hätte ich den Geist aus der Tiefe heraufbeschworen. Sie gingen zur Reling und suchten in der bewegten Weiße.
    »Was war das?«
    »Schatten des Hauptmasts.«
    »Hast du nichts gehört?«
    »Nein! Es ist weg.«
    »Hör!«
    Sehr leise kam es noch mal: »Fahr’ – ich – auch – tausend – Meilen – oder – mehr …«
    »Wo war das?«
    »Dort drüben.«
    »Was? Oben?«
    »Wie zum Teufel kann ich in dieser verdammten Waschküche sehen?«
    »Sieh! Sieh. Es lichtet sich. Es lüftet sich.«
    Es muß nahe Mittag gewesen sein, denn die Oberfläche des Nebels wurde zu Gold, und die große gelbe Sonne rollte und schmolz daraus hervor. Draußen auf dem Meer begann die schwellende Weiße zu zittern und hochgezogen zu werden wie ein Theatervorhang, und da lagen wieder die grauen Wasser und glitzerten in der Sonne. Jetzt war die Mannschaft wiedergeboren – und wir waren an der Backbordreling nicht mehr allein.
    Jeder Mann an Bord schien neben uns zu stehen und starrte, der Teufel weiß, worauf. Einige hatten Pistolen und Musketen, manche hatten Messer und andere nichts als geballte Fäuste und herausquellende Augen.
    »Seht, Jungen, seht! Dreiviertel achtern! Fünfzig Yards dwars. Seht ihr’s? Da jetzt! Da geht’s!«
    Einen Augenblick dachte ich, da stünde ein Mann auf dem Wasser: dann zerteilte sich ein Knäuel dampfender Luft, und ich sah, daß er auf einem Floß stand. Nur ein einziger Mann stand schmächtig da draußen, winkte uns zu und sang vor Freude, daß er gerettet wurde:
    »Fahr’ ich in die Weite,
    komm’ ich doch wieder,
    fahr’ ich auch tausend Meilen oder mehr!«
    Ich

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