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Jack Holborn

Jack Holborn

Titel: Jack Holborn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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erinnerte man sich auch der wirklichen Esperance genau wie der im Himmel: denn sie schien immer aufzutauchen, bevor uns ein Unheil widerfuhr.
    Es war Mister Jarvis, der ihn sah, kurz nach Mitternacht, wie er an der Backbordreling entlangging. Er erschien mit dem Mond, der aus den wirbelnden Wolken herausflog. Er war noch in seinem verschossenen rotweißen Hemd, das er bis zu seinem Tod getragen hatte. Und danach. Und ein Loch war in seinem Rücken, zwischen den Schultern, wo der Marlspieker reingefahren war.
    »Er war es, sage ich euch. Er war es.«
    Ich habe nie einen so erschreckten Mann gesehen wie Jarvis in jener Nacht. Ich dachte, er würde daran sterben. Seine Augen quollen aus dem Kopf, und sein pockennarbiges Gesicht zuckte die ganze Zeit. Als die Laterne am Vorderdeck schwang, starrte er unverrückt in die Schatten, als ob Taplow darin verborgen wäre. Sam Fox in seiner Ecke saß steil aufrecht, und auch er sah nicht glücklich aus, als er hörte, daß sein furchtbarer Freund zurückgekommen sei.
    »Hast du sein Gesicht gesehen, alter Junge? Hat er sich dir zugewandt?« fragte Mister Trumpet.
    »Sein Gesicht?« rief Mister Jarvis und rieb sich die Augen, als wolle er die Erinnerung wegreiben. »Sein Gesicht! Es troff und sah grau aus. Meerwasser floß darüber, als sei sein großer Kopf damit gefüllt.«
    »Hat er mit dir gesprochen? Hat er etwas gesagt?«
    »Kein Wort. Ging nur an der Backbordreling entlang, als ob er mir das Loch in seinem Rücken zeigen wollte. Wasser floß, als ob sein ganzer Körper vom Meeresgrund voll sei.«
    »Du hast den Verstand verloren, Jarvis!« sagte Mister Morris kurz. »Taplow ist tot und unter dem Meer. Er wird nicht zurück sein vor dem Jüngsten Gericht. Du mußt Tomkyn auf der Backbordwache gesehen haben.«
    Wenn aber Mister Jarvis wirklich Tomkyn gesehen hatte, war er der letzte, dem das geschah. Mister Tomkyn war weg, – von der Schiffsfläche verschwunden.
    »Über Bord gefallen«, schloß Mister Morris.
    »Aye«, pflichtete Mister Pobjoy bei. »Über Bord gefallen – oder mitgenommen.«
    Diese Nacht fragte ich gerade heraus, ob er glaubte, daß Taplow zurückgekommen sei.
    »Vielleicht, lieber Junge, vielleicht ist er das. Und wenn er’s getan hat, dann hat er diesem Schiff einen Riesengefallen getan. Er hat den armen Tomkyn genommen, möge er faulen. Und nie wurde eine Seele weniger vermißt als Mister Tomkyn.«
    Er hob den Becher mit Gin: »Hier trinke ich auf Mister Taplow, wo immer er sein mag. Mögen seine armen, angeknabberten Gebeine in diesen feuchten, windigen Nächten warm bleiben.«
    Mehr kriegte ich nicht aus ihm raus. Als er seinen Becher geleert hatte, ging er gleich schlafen und ließ mich in der schaukelnden, stöhnenden Finsternis an Mister Taplow denken. In meinem ganzen Leben hatte ich noch keinen Geist gesehen. Aber ich hatte auch China noch nicht gesehen oder den König oder Lord Sheringham, der vergangenes Jahr fünfundzwanzig mörderische Wegelagerer hatte hängen lassen … Ich begann in schauriger Erwartung zu schwitzen und zu prickeln. Mister Taplow hatte mich nicht sehr geschätzt, als er lebte: eine Woche auf dem Meeresgrund hatte wahrscheinlich sein Urteil nicht geändert.
    Wenn Mister Taplow zurück war, dann wollte er mich! Mister Morris, den Kapitän und mich! Und jede Sekunde erwartete ich ihn.
    Aber er kam weder zur Kombüse noch zu einem anderen Teil der Charming Molly in jener Nacht, auch die nächsten zwei Nächte nicht, so daß es schien, er sei fort und bei uns spuke es nicht mehr.
    Dann sah ihn William Hughes, der die Wache auf dem Vorderdeck hatte und schrie »Taplow!« Aber Taplow ging ungerührt an der Backbordreling entlang, zeigte das große schwarze Loch in seinem Rücken und wandte sich nicht, um auf den Anruf zu antworten.
    William Hughes vergaß vollkommen Carfax, der die Backbordwache hatte, und kam hereingeflüchtet und ließ ihn dort. Es war fast schon Tageslicht, als man sich an Mister Carfax erinnerte und man zu suchen begann und nach ihm rief und schrie. Aber er war fort, geradeso wie Mister Tomkyn vor ihm fort war, und das ganze panische »Carfax! Carfax! Wo bist du, Carfax?« verwirbelte in die schwarze Wolke hinter uns.
    Um einen weiteren Mann erleichtert, flogen wir nach Südwesten mit einer Panik an Bord, die sich verbreitete wie die Pest. Halbwegs gegen Mittag rutschte ein Mann in den Wanten aus und wurde nur dadurch gerettet, daß er sich fast erhängte. Als man ihn runterholte, schwor er, er hätte eine

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