Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack Holborn

Jack Holborn

Titel: Jack Holborn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
Vom Netzwerk:
Nachbartür des vorletzten. Nachdem Mister Trumpet sich mit Guineas verausgabt hatte, verteilte er von nun an winzige Edelsteine, bis er schließlich ein außerordentliches Netz von Hilfsbereitschaft geknüpft hatte. Alles war unter der Hand gesichert – schlau zusammenverwebt –, so daß scheinbar unabhängige Geschehnisse auf ein Ende hin funktionierten. Nichts hing nur von einem Mann ab, außer von dem einen Mann, der in der Dover Street saß. Zu ihm führten alle gekauften Fäden. Sein Siegel und seine Zustimmung waren nötig. War es möglich? Konnte man so einen wie den, wenn auch falschen, Lord Sheringham kaufen? »Jeder Mann hat seinen Preis«, Mister Trumpet war dessen sicher, »auch er. Was jedoch der Preis ist, das zu entdecken und zu decken, bleibt dir überlassen.«
    Um neun Uhr am Morgen des neunundzwanzigsten November ging Mister Trumpet, aufs beste empfohlen, zur Dover Street. Eine Stunde später kam er bleich wieder heraus. Mit dem, was erforderlich war. Wie hatte er es erreicht?
    »Er hatte seinen Preis, Jack.«
    »Was war es, Mister Trumpet?«
    »Nur ein Diamant.«
    »Welcher, Sir?«
    »Was sonst als die Weiße Lady? Was? Glaube mir, Jack, es war eine wahre Hochzeit zwischen den beiden.«
    Mister Trumpet hatte seinen Herzensschatz geopfert. Ich habe schon gesagt, das waren seine großen Tage – und dies, glaube ich, war beinahe der größte.
    Am fünften Dezember erfuhren wir, daß in der Gerichtsliste vom Old Bailey eine Änderung stattgefunden hatte. Ein gewisser Kapitän Rogers sollte am siebenten Dezember vor Lord Sheringham abgeurteilt werden. Endlich hatten sich die Wolken verzogen, und das Ende lag klar sichtbar vor uns. Obwohl ich, durch die Macht der Gewohnheit irgendwo am Horizont bucklige Erhebungen zu sehen glaubte …

XXIV
    Freitag der 7. Dezember: ein drückender, wärmlicher Tag, der leicht schweißtreibend wirkt.
    »Jack«, sagte Mister Trumpet zu mir in unserer Unterkunft. »Du riechst, alter Freund.«
    »Es ist das Wetter«, sagte ich gereizt.
    »Nein, du bist’s.«
    »Wonach rieche ich denn?«
    »Oh, nach Zweifel und Angst und ein bißchen Panik, daß alles schiefgehen kann –«
    »Dann haben Sie eine lange scharfe Nase.«
    »Geh nach oben und tu dir ein bißchen von meiner Pomade ins Haar. Erschlägt zwei Fliegen mit einer Klappe.«
    Ich zuckte die Schultern und ging. So war mein Haar also wie ein Fliegennest? Was kümmert’s mich? Die Pomade stank. Als ich zurückkam, stank ich auch: und zwar danach. Mister Trumpet nickte. Beide Fliegen waren tot. Und rochen auch so.
    Ein Mann, der an uns vorbeikam, als wir zum Gericht gingen, schnüffelte, sah zurück und grinste: »Duftet wie seiner Lordschaft Knopfloch, was?«
    Wir kriegten Eckplätze hinten im Gerichtssaal, wo wir zum riesigen, dunklen, leeren Richterstuhl emporblicken konnten, um den herum Anwälte, Schreiber und Platzanweiser summten und sprudelten und mit Schriftstücken knisterten, bis man sie zur Ruhe brachte.
    Riesige Verwirrung. Ein Anwaltsschreiber, halb rennend, fast auf seinen Knien, kam vorbeigetrippelt, zupfte mich am Ärmel, fragte mich, ob ich eine Guinea verdienen wollte. Ein Zeuge war nicht erschienen. Ich würde den Platz ausfüllen. Leicht – leicht, wie von der Bank zu fallen.
    Ich schüttelte ihn ab, und er ging wie ein Krebs den Mittelgang hinunter, fand einen verkommen aussehenden Mann, der sich bereit erklärte, führte ihn, eifrig auf ihn einredend, quer durch den Raum, der für die Advokaten reserviert war, wobei der Zeuge weise nickte. Höchstwahrscheinlich verdiente er sich so seinen Lebensunterhalt.
    Ich fragte mich, wessen Zeuge nicht erschienen war. Nicht unserer. Dieser grimmige, verstümmelte Mann wäre vom Grab auferstanden, wenn es nötig war, um den Finger gegen den Angeklagten zu erheben.
    Dann merkte ich, daß unser Fall nicht der einzige des Tages war. Viele mußten schon gewartet haben. Wann sollte er stattfinden, der Prozeß gegen Kapitän Rogers? Nicht lange zu warten.
    Dann kam plötzlich der ganze Trubel, das Hin- und Herrennen zum Halten. Er kam. Wer? Seine gesegnete Lordschaft. Der Richter Lord Sheringham.
    »Oder sein Zwillingsbruder.«
    Ein Herr, der vor uns saß und dessen Ohren zu groß waren für die Perücke, drehte sich um und legte sein Kinn auf das Geländer unserer Sitzreihe.
    »Ha-ha! Sehr witzig. Kluger Junge! Kluger Junge!«
    »Halt den Schnabel, du verdammter kleiner Idiot, Jack!« schimpfte Mister Trumpet, und als sich die Anwesenden respektvoll erhoben,

Weitere Kostenlose Bücher