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Jack Holborn

Jack Holborn

Titel: Jack Holborn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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Gracechurch? Kommen Sie, Sir. Ansicht des Anwalts: eine Gesetzesfrage – sprechen Sie, Mister Gracechurch.«
    Mister Gracechurch, abwechselnd rot und weiß, wünschte sich im Schlaf oder im Bett – von diesem Alptraum erlöst – und wurde von einem gräßlichen Gedanken befallen. Wenn der Richter tatsächlich auf der Anklagebank saß, auf Grund eines tollen Mißgeschicks, wo würde dann seine nächste Station sein, wenn er sich gegen ihn aussprach? Die Leiter des Erfolgs schien eine Sprosse verloren zu haben.
    »Gott weiß, wer Sie sind«, bekannte Mister Gracechurch zu guter Letzt, fügte aber (durch die Gewöhnung des Anblicks unverzeihlicher Weise) hinzu: »Mein Lord.«
    Ein geschicktes Urteil. Dagegen war nichts zu sagen. Aber Mister Gracechurch war dadurch vernichtet, gekentert, in Stücke zerschlagen. Der Richter starrte mit einem gezwungenen und furchtbaren Lächeln auf ihn nieder. Man würde ihn um seine Meinung nicht mehr befragen. Auf der großen Leiter hatte er die Sprosse verfehlt – und war erledigt.
    »Als Zeuge Thomas Furnish.«
    Wer war Thomas Furnish? Wer wollte ihn? Was hatte er in dieser Sache zu suchen? Furnish? Wer war dran, in dieser Sache gehängt zu werden? Mister Gracechurch hatte gesagt, Gott weiß, und Mister Gracechurch war ein kluger Anwalt – oder war’s gewesen. Gott wußte, wer mit dem Sterben an der Reihe war.
    Wenn wir uns nun geirrt hatten – und der Richter der Richter war und wir die Genasführten? Unmöglich! Nur, wo war unser Beweis – auch nur für uns? Es gab keinen. Nicht einen einzigen sonst wäre er schon ans Tageslicht gekommen. Auf einmal begriff ich, daß wir zwei waren gegen – nicht einen bösen Mann sondern die ganze Welt! Und mit nichts zur Unterstützung als unseren eigenem Glauben. Waren wir getäuscht worden? Was wäre das für eine bittere Wendung in einer phantastischen Geschichte gewesen!
    »Ist Ihr Name Thomas Furnish?«
    Es war der verstümmelte Fremde. Ich hatte nie daran gedacht, daß er einen Namen trug. Er kam zum Zeugenstand.
    »Welchen Mann haben Sie auf der Charming Molly gesehen?« Er deutete – zur Anklagebank. Der Richter lächelte. Mister Trumpet rief aus: »Sehen Sie zum Richterstuhl, Mann! Könnte nicht – er es gewesen sein?«
    Tom Furnish sah, sog den Atem ein, überlegte, zauderte: »Phantastisch … wahrhaftig … schwer zu sagen … Roben und Perücken … der Mann auf der Anklagebank schien wahrscheinlicher … aber … aber …«
    »Können Sie schwören – so oder so?«
    Ehrlich wie er war, konnte er nicht schwören. Wurde entlassen, nichts erreicht. Eine dünne Hoffnung verspielt. Es wäre möglich gewesen, daß der verstümmelte Tom Furnish den Teufel in dem einen Augenpaar gesehen hätte – und einen guten Mann im anderen. Aber er hatte selbst nur ein Auge – nicht genug, um etwas so Ungreifbares auseinanderzuhalten. So ging also die schwache Hoffnung mit ihm hinaus.
    Der große dicke Mann vor mir drehte mir sein mächtiges Gesicht zu: »Ihr Freund hat auf Gedeih und Verderb gespielt und verloren. Pech – Pech, wie?«
    Mit einem Schock merkte ich, daß ich sein Gesicht zweimal sah und begriff, daß ich krank sein mußte, unpäßlich durch die Hitze und die Erregung: ein Druck gepreßter Luft, der meinem Hirn zusetzte … vielleicht durch die Ohren, die sangen wie ein feuriger Chor …
    »Jack Holborn! Jack Holborn! Komm nach vorn!« Mister Trumpets Stimme: Oh, der Trompetenton! Und die Echos: »Wer ist das? Wer ist Jack Holborn? Was denn? Noch ein Zeuge? Jack! Jack! Zeige dich!«
    Sie gaben mir einen Schubs und einen Stoß und vielleicht einen Tritt, ich kann mich nicht sicher erinnern, aber der Weg durch die Sitzreihe und den gähnenden Gang hinunter war verdammt lang, und so dauerte es eine Ewigkeit, bis ich wie ein lockerer Zahn in den offenen Mund des Gerichtshofes fiel.
    »Ein Junge! Ein Bub. Seht mal an. Halb irr vor Angst.«
    Ich sah Mister Trumpets Hand – ergriff sie und ging zum Zeugenstand. Ich glaube, jemand versuchte mich aufzuhalten. Ich weiß es nicht genau. Vielleicht waren’s meine eigenen Füße …
    »Welcher Mann ist es, den du zuerst an Bord der Charming Molly gesehen hast?«
    Ich starrte – und sah Lord Sheringham auf der Anklagebank, und Lord Sheringham auf dem Richterstuhl. Wieder überfiel mich die Furcht, daß ich mich selbst betrog – mich und die Welt. Keiner von beiden sprach, keiner von beiden lächelte. Wer war wer?
    Jetzt möchte ich glauben, daß ich an einem etwas sah, was der andere

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