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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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nur gestanden, dass er seinen nächsten Mann im Visier hat, aber nicht, wann er konkret zuschlagen wird. Wir haben keine Ahnung, wann er Thomas umbringen will.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das ist mir gleich. Einerlei, wie lange es dauert - ich will bei den Ermittlungen dabei sein. Ich habe meinen Teil der Abmachung eingehalten.«
    Ein unbehagliches Schweigen legte sich über das Zimmer. Backus erhob sich und begann, hinter meinem Stuhl auf und ab zu wandern. Ich sah Rachel an. Sie betrachtete nachdenklich die Tischplatte. Ich spielte meine letzte Karte aus.
    »Ich muss für morgen einen Artikel schreiben, Bob. Mein Redakteur rechnet fest damit. Wenn Sie nicht wollen, dass ich ihn schreibe, müssen Sie mich dabei sein lassen. Das ist der einzige Weg, meinen Chef dazu zu bringen, dass er auf den Artikel verzichtet. Sie haben die Wahl.«
    Thorson gab ein verächtliches Geräusch von sich und schüttelte den Kopf.
    »Das bedeutet Ärger«, sagte er. »Bob, wohin soll das führen, wenn Sie diesem Kerl abermals nachgeben?«
    »Ärger gibt es nur«, sagte ich, »wenn man mich anlügt oder von den Ermittlungen fern hält, die es ohne mich überhaupt nicht gäbe.«
    Backus sah Rachel an.
    »Was meinen Sie?«
    »Sie dürfen Sie nicht fragen«, warf Thorson ein. »Ich weiß jetzt schon, was sie sagen wird.«
    »Wenn du etwas über mich zu sagen hast, dann tu es«, forderte Rachel ihn heraus.
    »Das reicht«, sagte Backus und machte eine Handbewegung wie ein Schiedsrichter. »Ihr beide gebt wohl nie auf, wie? Jack, Sie können bleiben. Jedenfalls fürs Erste. Gleiche Abmachung wie zuvor. Das heißt, morgen keine Story. Klar?«
    Ich nickte. Dann sah ich Thorson an, der bereits aufgestanden und auf dem Weg nach draußen war. Geschlagen.
36
    Das Wilcox Hotel - so hieß es, wie ich inzwischen erfahren hatte - hatte noch ein Einzelzimmer frei, zumal, nachdem der Nachtportier erfahren hatte, dass ich auch zu den Regierungsleuten gehörte und bereit war, den Höchstpreis von fünfunddreißig Dollar pro Nacht zu zahlen. Ich hatte ein ungutes Gefühl, als ich dem Mann hinter der Rezeption die Nummer meiner Kreditkarte nannte. Er sah aus, als habe er allein in dieser Schicht bereits eine halbe Flasche geleert. Während des ganzen Anmeldevorgangs schaute er mich nicht ein einziges Mal an, obwohl dieser ungewöhnlich lange dauerte, da er ganze fünf Minuten nach einem Kugelschreiber suchte, bis ich ihm meinen lieh.
    »Was tut ihr überhaupt hier?«, fragte er, als er mir einen Schlüssel mit einer fast vollständig abgeschabten Zimmernummer über den ebenso abgeschabten Resopaltresen zuschob.
    »Haben die anderen das nicht erzählt?«, fragte ich, Überraschung heuchelnd.
    »Nein. Ich nehme nur die Anmeldungen entgegen.«
    »Es geht um Betrug mit Kreditkarten. Der kommt in dieser Gegend hier ziemlich oft vor.«
    »Oh.«
    »Übrigens, welches Zimmer hat Agent Walling?«
    Er brauchte eine halbe Minute, um seine eigenen Unterlagen zu entziffern.
    »Das müsste Zimmer siebzehn sein.«
    Mein Zimmer war klein, und als ich mich auf die Bettkante setzte, sackte sie mindestens fünfzehn Zentimeter nach unten, während die andere Seite, vom Knarren alter Sprungfedern begleitet, sich entsprechend hob. Es war ein Zimmer im Erdgeschoss mit nur wenigen, aber halbwegs anständigen Möbeln und dem schalen Geruch nach abgestandenem Zigaretten-qualm. Die vergilbten Jalousien waren hochgezogen, und vor dem Fenster entdeckte ich ein Metallgitter. Wenn ein Feuer ausbrach und ich nicht schnell genug zur Tür hinauskam, würde ich gefangen sein wie ein Hummer in einer Reuse.
    Ich nahm die Reisetube Zahnpasta und die zusammenklappbare Zahnbürste aus dem Kissenbezug und ging ins Badezimmer. Ich hatte immer noch den Geschmack der Bloody Mary im Mund und wollte ihn loswerden. Außerdem dachte ich an Rachel.
    In alten Hotels sind die Badezimmer immer am deprimierendsten. Dieses hier war etwas größer als die Telefonzellen an Tankstellen. Waschbecken, Toilette und Duschkabine, alle mit identischen Rostflecken, drängten sich auf engstem Raum. Nach dem Zähneputzen kehrte ich in das vergleichsweise geräumige Zimmer zurück, betrachtete das Bett und hatte nicht die geringste Lust, mich noch einmal daraufzusetzen. Und schon gar nicht wollte ich darin schlafen. Ich beschloss, das Risiko einzugehen, meinen Laptop und den Kissenbezug voller Kleidungsstücke zurückzulassen, und verließ das Zimmer.
    Rachel reagierte so schnell auf mein leises Klopfen, dass es fast so

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