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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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abgeschlossen hatte. Das passte nicht in mein Schema und natürlich auch nicht zu der Theorie, die Larry Washington in Chicago aufgestellt und die ich akzeptiert hatte: nämlich, dass dieselbe Person sowohl das erste Opfer als auch den Detective umbrachte.
    Zu den letzten dreien, die - neben dem Kotite-Fall - in Frage zu kommen schienen, gehörte Garland Petry, ein Detective in Dallas, der angeblich selbst einen Schuss in seine Brust und ei nen weiteren in sein Gesicht abgegeben hatte. Er hatte eine No tiz hinterlassen. Sie lautete: >Wohl weiß ich genau, meine Kraft ist besiegt.<
    Natürlich hatte ich Petry nicht gekannt, aber ich hatte noch nie gehört, dass ein Cop solche Worte gebraucht hatte. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass solch eine Zeile von der Hand und aus den Gedanken eines Cops stammen konnte, der Selbstmord begehen wollte.
    Auch im zweiten der verbleibenden drei Fälle spielte ein Einzeiler eine Rolle. Clifford Beltran, ein Detective, der im Büro des Sheriffs von Sarasota County in Florida gearbeitet hatte, hatte angeblich vor drei Jahren Selbstmord begangen und eine Notiz hinterlassen, auf der lediglich >Gott helfe meiner armen Seele< stand. Es war nur eine Ahnung, aber ich fügte Beltran meiner Liste hinzu.
    Den dritten und letzten Fall nahm ich mit auf, obwohl John P. McCafferty, Detective bei der Mordkommission der Polizei von Baltimore, keine Nachricht hinterlassen hatte. Doch sein Tod hatte eine unheimliche Ähnlichkeit mit dem von John Brooks. McCafferty hatte angeblich einen Schuss in den Fußboden seiner Wohnung abgefeuert, bevor er den zweiten und tödlichen Schuss in seinen Mund abgab.
    Vier Namen. Ich dachte noch eine Weile über mögliche Zusammenhänge nach, bevor ich das Buch mit Poes Werken aus meiner Reisetasche holte.
    Es war eine Gesamtausgabe. Ich warf einen Blick auf das Inhaltsverzeichnis und stellte fest, dass seine Gedichte sechsundsiebzig Seiten füllten. Mir stand eine lange Nacht bevor. Ich bestellte beim Zimmerservice eine große Kanne Kaffee und bat gleichzeitig um ein paar Aspirin - gegen das Kopfweh, das ich von den Unmengen Koffein bekommen würde. Schließlich begann ich zu lesen.
    Ich habe nie zu den Leuten gehört, die sich vor der Dunkelheit oder dem Alleinsein fürchten. Ich lebe seit zehn Jahren allein, habe sogar schon allein in Nationalparks kampiert, habe in dunklen Wagen auf noch dunkleren Straßen gesessen, um Kandidaten oder Kriminelle abzufangen oder mit ängstlichen Informanten zu reden. Die Kriminellen haben mir natürlich Angst gemacht, nicht aber die Tatsache, dass ich ganz allein im Dunkeln saß. Doch ich muss gestehen, dass mir Poes Worte an jenem Abend Schauder über den Rücken jagten. Vielleicht lag es daran, dass ich von Tod- und Morddokumenten umgeben war oder die Gegenwart meines toten Bruders spürte. Vielleicht war es auch einfach das Wissen darüber, wofür einige dieser Worte, die ich gerade las, benutzt worden waren.
    Was immer es war, es flößte mir ein Grauen ein, das nicht einmal dann schwand, als ich den Fernseher anstellte, damit er beruhigende Hintergrundgeräusche lieferte.
    Ich las gerade ein Gedicht mit dem Titel >Ein Rätsel<, als das Telefon läutete und mich hochfahren ließ. Es war halb eins, und ich nahm an, dass es Greg Glenn in Denver war. Doch als ich nach dem Hörer griff, wusste ich, dass das nicht sein konnte. Ich hatte Glenn nicht gesagt, in welchem Hotel ich wohnen würde.
    Der Anrufer war Michael Warren.
    »Ich dachte mir, dass Sie noch wach sind, und wollte mich nur erkundigen, was Sie herausgefunden haben.«
    Wieder verspürte ich Unbehagen über sein großes Interesse, seine vielen Fragen. Er verhielt sich so völlig anders als ein gewöhnlicher Informant. Aber in Anbetracht des Risikos, das er auf sich genommen hatte, konnte ich ihn nicht einfach abwimmeln.
    »Ich bin noch bei der Arbeit«, sagte ich. »Ich lese Gedichte von Edgar Allan Poe. Sie jagen mir eine Heidenangst ein.«
    Er lachte höflich.
    »Passt denn irgendetwas - was die Selbstmorde angeht?«
    In dem Augenblick kam mir ein Gedanke.
    »Von wo rufen Sie an?«
    »Von zu Hause. Weshalb?«
    »Sagten Sie nicht, dass Sie in Maryland wohnen?«
    »Ja. Warum?«
    »Dann ist dies ein Ferngespräch, stimmt’s? Auf Ihrer Telefonrechnung wird verzeichnet sein, dass Sie mich hier angerufen haben. Haben Sie daran nicht gedacht?«
    Ich konnte seine Unvorsichtigkeit nicht verstehen, vor allem in Anbetracht dessen, was er mir über das FBI und Agentin

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