Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
nachdem sich Renner einen Durchsuchungsbefehl besorgt hatte. Es war nicht klar, ob sie tot oder noch am Leben war, aber ganz offensichtlich ging sie einer Tätigkeit nach, zu der Prostitution und andere Gesetzwidrigkeiten gehörten.«
Pierce nickte. Er begann zu verstehen, wie Renner dachte.
»Um sich also abzusichern, hat er sich einen Durchsuchungsbefehl besorgt«, sagte er. »Für den Fall, dass sie auf etwas stoßen, das in Zusammenhang mit diesen anderen Gesetzwidrigkeiten steht. Oder falls sie plötzlich quicklebendig auftaucht und wissen will, was sie in ihrer Wohnung zu suchen haben.«
»Genau. Aber er hatte noch einen anderen Grund.«
»Um Beweismaterial gegen mich zu sammeln.«
»Ganz richtig.«
»Aber wie können es Beweise gegen mich sein? Ich habe ihm gesagt, dass ich dort war. Meine Fingerabdrücke sind überall in der Wohnung, weil ich nach ihr gesucht habe und nach Hinweisen, was aus ihr geworden sein könnte.«
»So stellen Sie es dar, und ich glaube Ihnen. Er nicht. Er glaubt, Sie haben sich das alles nur ausgedacht, um begründen zu können, weshalb Sie in ihrer Wohnung waren.«
»Das kann ich nicht glauben.«
»Sollten Sie aber besser. Und laut Gesetz musste er binnen achtundvierzig Stunden einen so genannten Durchsuchungsbericht einreichen. Grob gesprochen, ist das eine Quittung für alles, was bei der Durchsuchung von der Polizei mitgenommen wurde.«
»Und? Hat er das getan?«
»Ja, er hat einen solchen Bericht eingereicht, und ich habe eine Kopie davon. Er war nicht versiegelt – da ist ihm ein Fehler unterlaufen. Jedenfalls sind darauf persönliche Besitzgegenstände aufgeführt, die mitgenommen wurden, zum Beispiel eine Haarbürste für eine DNS-Probe und dergleichen mehr. Viele Gegenstände wurden wegen einer Fingerabdruckanalyse mitgenommen. Briefe, Schreibtischschubladen, Schmuck, Parfümflaschen, sogar sexuelle Hilfsmittel, die in verschiedenen Schubladen gefunden wurden.«
Pierce schwieg. Er erinnerte sich an die Parfümflasche, die er angefasst hatte, als er im Haus gewesen war. Konnte so etwas Harmloses jetzt dazu herangezogen werden, vor Gericht seine Verurteilung zu erwirken? In seinem Bauch begann es zu rumoren, und er wurde rot im Gesicht.
»Sie sind plötzlich so still, Henry.«
»Ich weiß. Ich denke gerade nach.«
»Sagen Sie mir bloß nicht, Sie haben diese sexuellen Hilfsmittel angefasst.«
Pierce schüttelte den Kopf.
»Nein, ich habe sie nicht mal gesehen. Aber eine Parfümflasche habe ich angefasst.«
Er hörte sie ausatmen.
»Was ist?«
»Warum haben Sie eine Parfümflasche angefasst?«
»Keine Ahnung. Ich habe es einfach getan. Wahrscheinlich hat sie mich an etwas erinnert. An jemanden. Was soll daran schon so schlimm sein? Ist man gleich ein Mörder, bloß weil man eine Parfümflasche anfasst?«
»Es ist Teil eines Indiziennetzes. Sie haben der Polizei erzählt, Sie waren im Haus, um nach ihr zu sehen, um sich zu vergewissern, dass ihr nichts zugestoßen ist.«
»Das habe ich ihnen erzählt, weil ich genau das getan habe.«
»Und haben Sie ihnen vielleicht auch erzählt, dass Sie ihre Parfümflaschen geöffnet und daran gerochen haben? Haben Sie auch in ihrer Unterwäscheschublade rumgeschnüffelt?«
Pierce antwortete nicht. Ihm war, als müsste er sich gleich übergeben. Er bückte sich und zog den Abfalleimer unter dem Schreibtisch heraus und stellte ihn neben seinen Stuhl.
»Henry, ich verhalte mich Ihnen gegenüber gerade wie ein Staatsanwalt, weil ich möchte, dass Sie sich der Gefährlichkeit des Pfades bewusst werden, auf dem Sie sich befinden. Alles, was Sie sagen oder tun, kann gegen Sie verwendet werden. Während es für Sie so aussieht, kann es für jemand anderen vollkommen anders aussehen.«
»Schon gut, schon gut. Bis wann werden sie mit diesen ganzen Fingerabdrücken fertig sein?«
»Wahrscheinlich in ein paar Tagen. Ohne Leiche misst diesem Fall außer Renner vermutlich niemand besondere Bedeutung bei. Ich habe gehört, sogar sein eigener Partner beschäftigt sich mit anderen Dingen; er sieht die Sache nicht so wie Renner, der mit seiner Sicht der Dinge ziemlich allein dasteht.«
»Ist dieser Partner Ihre Quelle?«
»Über meine Quelle spreche ich nicht mit Ihnen.«
Darauf schwiegen sie eine Weile. Pierce hatte sonst nichts mehr zu sagen, aber es vermittelte ihm ein Gefühl von Hoffnung, mit Langwiser verbunden zu sein.
»Ich stelle eine Liste von Leuten zusammen, mit denen wir reden können«, sagte sie
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