Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
Studenten verhaftet.«
»Das Ganze war harmlos, aber sie wollten ein Exempel statuieren. Das war, als Hacking gerade in Mode kam. Wir wurden alle suspendiert und bekamen Bewährung und eine gemeinnützige Tätigkeit aufgebrummt, aber die Strafe war schwerer als das Vergehen. Es war absolut geringfügig.«
»Tut mir Leid, aber ich halte es nicht für harmlos oder geringfügig, sich als Polizist auszugeben.«
Pierce wollte protestieren, hielt aber den Mund. Er würde Renner nicht überzeugen. Er wartete auf die nächste Frage, und einen Moment später fuhr der Detective fort.
»In den Unterlagen steht, dass Sie Ihren Sozialdienst in einem Labor des Department of Justice in Sacramento abgeleistet haben. Haben Sie damals daran gedacht, ein Cop zu werden oder so?«
»Das war, nachdem ich Chemie als Hauptfach genommen habe. Ich hab nur in dem Labor gearbeitet. Ich hab getippt und Proben verglichen, ganz einfache Sachen. Es hatte wenig mit Polizeiarbeit gemein.«
»Aber es muss interessant gewesen sein, oder? Mit Cops zu tun zu haben, Beweismittel für wichtige Prozesse zusammenzustellen. Interessant genug für Sie, um weiterzumachen, nachdem Sie Ihre Stunden abgeleistet hatten.«
»Ich habe weitergemacht, weil sie mir einen Job angeboten haben und Stanford teuer ist. Und sie haben mir nicht die interessanten Fälle gegeben. Meistens kamen die Sachen in FedEx-Paketen zu mir. Ich hab meine Arbeit gemacht und alles zurückgeschickt. Nichts Besonderes. Eigentlich war es eher langweilig.«
Renner wechselte übergangslos das Thema.
»Diese Festnahme erfolgte ein Jahr, nachdem Ihr Name hier in L. A. in einer Polizeiakte aufgetaucht war. Wir haben das im Computer.«
Pierce begann, den Kopf zu schütteln.
»Nein. Ich bin hier unten in L. A. nie wegen irgendwas verhaftet worden. Nur dieses eine Mal oben in Stanford.«
»Ich habe nicht gesagt, dass Sie in Zusammenhang mit diesem anderen Fall verhaftet wurden. Ich habe gesagt, Ihr Name ist in einer Polizeiakte. Inzwischen ist alles im Computer. Sie sind Hacker, Sie kennen das ja. Man gibt einen Namen ein, und manchmal wundert man sich wirklich, was da alles herauskommt.«
»Ich bin kein Hacker. Ich habe davon keine Ahnung mehr. Und was diese Polizeiakte angeht, muss das ein anderer Henry Pierce sein. Ich kann mich nicht erinn–«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Kester Avenue in Sherman Oaks? Hatten Sie eine Schwester namens Isabelle Pierce?«
Pierce erstarrte. Er war verblüfft, dass Renner den Zusammenhang hergestellt hatte.
»Ein Mordopfer, Mai neunzehnhundertachtundachtzig.«
Pierce konnte nur nicken. Es war, als würde ein Geheimnis verraten oder ein Verband von einer offenen Wunde gerissen.
»Man nahm an, dass sie einem Mörder zum Opfer gefallen war, der als Dollmaker Schlagzeilen machte und später als Norman Church identifiziert werden konnte. Der Fall wurde nach Churchs Tod am neunten September neunzehnhundertneunzig zu den Akten gelegt.«
Zu den Akten gelegt , dachte Pierce. Als wäre Isabelle lediglich ein Ordner, der zu den Akten gelegt und vergessen werden konnte. Als ob ein Mord jemals wirklich gelöst werden könnte.
Er riss sich von seinen Gedanken los und sah Renner an.
»Ja, meine Schwester. Was ist damit? Was hat das damit zu tun?«
Renner zögerte, und dann verzog sich sein müdes Gesicht zu einem verhaltenen Lächeln.
»Ich nehme an, es hat alles und nichts damit zu tun.«
»Das ergibt keinen Sinn.«
»O doch. Sie war älter als Sie, nicht wahr?«
»Ein paar Jahre.«
»Sie war von zu Hause ausgerissen. Sie haben die ganze Zeit nach ihr gesucht, nicht? Steht jedenfalls im Computer. Demnach muss es wohl stimmen. Nachts. Zusammen mit Ihrem Vater. Er –«
»Stiefvater.«
»Dann eben Stiefvater. Er schickte Sie immer in diese leer stehenden Häuser, um nach ihr zu suchen, weil Sie noch jung waren und die Jugendlichen in diesen besetzten Häusern vor Gleichaltrigen nicht wegliefen. Das steht jedenfalls in dem Bericht. Dort steht auch, dass Sie sie nicht gefunden haben. Gefunden wurde sie erst, als es schon zu spät war.«
Pierce verschränkte die Arme und beugte sich über den Tisch.
»Hat das etwas mit dem hier zu tun? Langsam würde ich nämlich wirklich gern nach Hause, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Es hat insofern etwas mit dieser Sache zu tun, als Sie sich schon einmal auf die Suche nach einem vermissten Mädchen gemacht haben, Mr. Pierce. Und deshalb frage ich mich, ob Sie nicht versuchen, mit dieser Lilly etwas gut zu
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