Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
müssen, war alles andere als erfreulich.
Als das Telefon einigermaßen sauber war, steckte er es im Schlafzimmer wieder ein und setzte sich damit auf die Kante des Betts, die nicht voll Blut war. Er fragte die Nachrichten ab, und er hatte wieder keine. Das fand er eigenartig. Er war fast zweiundsiebzig Stunden lang nicht zu Hause gewesen und hatte trotzdem keine einzige Nachricht erhalten. Er dachte, dass vielleicht Lilly Quinlans Seite endlich von der L.-A.-Darlings-Website genommen worden war. Dann fiel ihm etwas anderes ein. Er wählte seine Nummer bei Amedeo Technologies und wartete, bis das Gespräch zu Monica Purl weitergeleitet wurde.
»Monica, ich bin’s. Haben Sie meine Telefonnummer ändern lassen?«
»Henry? Was machen –«
»Haben Sie meine Privatnummer ändern lassen?«
»Ja, das wollten Sie doch. Ihr Anschluss müsste seit gestern darauf umgestellt sein.«
»Ganz so sieht es aus.«
Er wusste, als er Monica am Samstag dazu überredet hatte, bei All American Mail anzurufen, hatte er sie auch gebeten, die Nummer am Montag ändern zu lassen. Damals hatte er das wahrscheinlich tatsächlich gewollt. Aber jetzt fand er es seltsam beunruhigend, die Nummer nicht mehr zu haben. Sie war seine Verbindung zu einer anderen Welt, zu Lilly und Lucy.
»Henry? Sind Sie noch dran?«
»Ja. Wie lautet meine neue Nummer?«
»Da muss ich kurz nachsehen. Sind Sie schon aus dem Krankenhaus zurück?«
»Ja, ich bin zurück. Sehen Sie bitte einfach nur nach.«
»Bin schon dabei. Ich wollte sie Ihnen eigentlich gestern geben, aber dann hatten Sie Besuch.«
»Schon klar.«
»Okay, hier ist sie.«
Sie gab ihm die Nummer durch, und er griff sich einen Stift vom Nachttisch und schrieb sie auf sein Handgelenk, weil er keinen Block zur Hand hatte.
»Besteht eine Weiterleitung von der vorigen Nummer?«
»Nein, weil Sie dann diese ganzen Männer weiter anrufen würden, dachte ich.«
»Stimmt. Sehr gut.«
»Ähm, Henry, kommen Sie heute noch ins Büro? Charlie hat sich nach Ihrem Terminplan erkundigt.«
Er dachte erst nach, bevor er antwortete. Der Tag war bereits zur Hälfte vorüber. Wahrscheinlich wollte Charlie reden und ihn dann breitschlagen, die Proteus-Präsentation für Maurice Goddard trotz Pierces Drängen, sie zu verschieben, wie geplant am nächsten Tag abzuhalten.
»Ich weiß nicht, ob ich das noch schaffe«, sagte Pierce. »Die Ärzte sagen, ich soll mich schonen. Wenn Charlie reden möchte, sagen Sie ihm, ich bin zu Hause, und geben Sie ihm die neue Nummer.«
»Okay, Henry.«
»Danke, Monica. Bis dann.«
Er wartete darauf, dass sie sich verabschiedete, aber das tat sie nicht. Er wollte schon auflegen, als sie sagte: »Henry, bei Ihnen alles in Ordnung?«
»Es geht mir gut. Ich will nur nicht in die Firma kommen und mit meinem Gesicht allen einen Schrecken einjagen. Wie gestern Ihnen.«
»Ich war nicht –«
»Doch, waren Sie, aber das ist völlig okay. Und danke, dass Sie gefragt haben, wie es mir geht, Monica. Das war nett. Ich muss jetzt Schluss machen. Ach, noch etwas. Der Mann, der bei mir im Zimmer war, als Sie vorbeigekommen sind?«
»Ja?«
»Er heißt Renner und ist Detective beim LAPD. Wahrscheinlich wird er Sie anrufen, um Ihnen ein paar Fragen über mich zu stellen.«
»Worüber?«
»Über das, was ich Sie für mich habe tun lassen. Sie wissen schon, diesen Anruf als Lilly Quinlan. Dinge in der Art.«
Darauf trat kurz Stille ein, und danach klang Monicas Stimme anders, nervös.
»Kriege ich jetzt Ärger, Henry?«
»Nein, Monica. Er stellt Nachforschungen über ihr Verschwinden an. Und er ermittelt gegen mich. Nicht gegen Sie. Er versucht nur zu rekonstruieren, was ich getan habe. Wenn er Sie also anruft, sagen Sie ihm einfach die Wahrheit, dann kann nichts passieren.«
»Wirklich nicht?«
»Ja, wirklich nicht. Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Aber jetzt muss ich wirklich Schluss machen.«
Sie legten auf. Pierce bekam ein neues Freizeichen und wählte Lucy LaPortes Nummer, die er inzwischen auswendig kannte. Wieder bekam er ihre Mailbox dran, aber die Ansage war anders. Es war ihre Stimme, aber die Nachricht lautete, dass sie Urlaub machte und bis Mitte November keine Kunden empfangen würde.
Länger als einen Monat, dachte Pierce. In seinem Innern krampfte sich alles zusammen, als er an Renners Bemerkung dachte und an das, was Wentz und sein Gorilla ihr angetan haben konnten. Ungeachtet des Inhalts ihrer Ansage hinterließ er ihr eine Nachricht.
»Lucy, hier ist
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