Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
zurück. Weil Pierce eine Nummer hatte, die Zeller nicht erkennen würde, fügte er vorne drei Siebener hinzu. Das war ein Kode, der Zeller zu erkennen gab, dass ihn ein Freund oder Geschäftspartner von einem fremden Anschluss zu erreichen versuchte. Es war eine manchmal umständliche und immer lästige Methode, sein Leben und seine Geschäfte zu führen, aber Zeller war ein Paranoiker, wie er im Buche stand, und Pierce hatte keine andere Wahl, als dieses Spiel mitzuspielen.
Er stellte sich auf ein längeres Warten ein, aber Zeller rief umgehend zurück. Das war ungewöhnlich.
»Also wirklich, Mann, wann legst du dir endlich mal ein Handy zu? Ich versuche schon seit drei Tagen, dich zu erreichen.«
»Ich mag keine Handys. Was gibt’s?«
»Du könntest dir eins mit einem Scramblerchip zulegen.«
»Ich weiß. Was liegt an?«
»Es liegt an, dass du am Samstag diese Informationen so schnell wie möglich haben wolltest. Und dann rufst du drei Tage lang nicht zurück. Ich dachte schon, du –«
»Code, ich war im Krankenhaus. Ich bin gerade rausgekommen.«
»Im Krankenhaus?«
»Ich hatte etwas Ärger mit ein paar Typen.«
»Doch nicht etwa von Entrepreneurial Concepts?«
»Keine Ahnung. Hast du was über sie rausgefunden?«
»Totaldurchleuchtung, wie gewünscht. Das sind echt üble Typen, mit denen du dich da eingelassen hast, Hank.«
»Das wird mir auch langsam klar. Willst du mir jetzt gleich was über sie erzählen?«
»Eigentlich stecke ich grade mitten in was drin. Außerdem mache ich so was nur sehr ungern übers Telefon. Aber ich habe gestern alles per FedEx an dich geschickt – weil ich nichts von dir gehört habe. Hätte eigentlich heute Morgen ankommen müssen. Hast du nichts gekriegt?«
Pierce sah auf die Uhr. Es war zwei Uhr. Der FedEx-Wagen kam jeden Morgen gegen zehn vorbei. Die Vorstellung, der Umschlag von Zeller könnte die ganze Zeit auf seinem Schreibtisch liegen, gefiel ihm gar nicht.
»Ich war noch nicht im Büro. Aber ich werde gleich hinfahren. Hast du sonst noch was für mich?«
»Mir fällt nichts ein, was nicht in dem Umschlag wäre.«
»Okay, Mann. Ich rufe dich an, sobald ich mir alles angesehen habe. Aber vorher hätte ich noch eine Frage. Ich müsste die Adresse von jemand rausfinden, aber ich habe nur ihren Namen und ihre Handynummer. Die Rechnung für das Handy wird allerdings nicht dorthin geschickt, wo sie wohnt. Aber genau das würde ich gern wissen.«
»Dann geht es nicht.«
»Sonst etwas, was ich probieren könnte?«
»Das ist echt eine harte Nuss, aber unmöglich ist es nicht. Steht sie im Wählerverzeichnis?«
»Ich würde eher sagen, nein.«
»Also, da wären noch Strom, Gas, Wasser und so weiter und Kreditkarten. Wie geläufig ist ihr Name?«
»Lucy LaPorte aus Louisiana.«
Pierce rief sich in Erinnerung, dass sie ihm gesagt hatte, er sollte sie nicht mehr anrufen. Aber sie hatte nichts davon gesagt, dass er sie nicht finden sollte.
»Ist wohl auf dem Alliterationstrip, die Braut?«, sagte Zeller. »Wie gesagt, ich kann Verschiedenes probieren. Mal sehen, ob was dabei herauskommt.«
»Danke, Code.«
»Und ich schätze mal, du willst es gestern.«
»Ganz genau.«
»Natürlich.«
»Ich muss jetzt Schluss machen.«
Pierce ging in die Küche und suchte unter den Einkäufen, die er aus den Tüten auf die Arbeitsplatte gekippt hatte, nach dem Brot und der Erdnussbutter. Er machte sich rasch ein Sandwich und verließ die Wohnung, nicht ohne vorher die Moles-Mütze aufzusetzen und sich den Schirm tief ins Gesicht zu ziehen. Während er auf den Aufzug wartete, begann er das Sandwich zu essen. Das Brot war alt. Es hatte vier Tage im Kofferraum gelegen.
Der Lift hielt auf dem Weg nach unten im sechsten Stock, und eine Frau stieg ein. Wie unter Aufzugbenutzern üblich, vermied sie es, Pierce anzusehen. Als sich der Lift wieder in Bewegung setzte, taxierte sie ihn verstohlen in der Chromeinfassung der Tür. Pierce sah, wie sie erschrocken die Augen aufriss.
»Um Gottes willen!«, entfuhr es ihr. »Sie sind ja der, über den alle reden.«
»Wie bitte?«
»Sie sind doch der, den man beinah vom Balkon runtergeworfen hätte, oder?«
Pierce sah sie einen Augenblick lang an. Und in diesem Augenblick wurde ihm klar, dass er, egal, wie es mit Nicole weiterginge, nicht in diesem Haus bleiben könnte. Er würde umziehen.
»Wovon reden Sie überhaupt?«
»Fehlt Ihnen auch nichts? Was haben sie Ihnen getan?«
»Sie haben gar nichts getan. Ich weiß nicht, was Sie
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