Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
kriegen.«
»Das macht doch nichts. Dann willst du die Präsentation also immer noch morgen machen?«
Condon nickte.
»Er ist bereits in Los Angeles und wartet auf uns. Keine Verzögerungen. Entweder die Sache steigt morgen, oder er reist wieder ab – und nimmt sein Geld mit. Ich habe mit Larraby und Grooms gesprochen, und sie sagen, wir –«
»– sind so weit. Ich weiß. Ich habe sie aus dem Krankenhaus angerufen. Das Problem ist nicht Proteus. Das war nicht der Grund, warum ich die Präsentation verschieben wollte. Es ist wegen meines Gesichts. Ich sehe aus wie Frankensteins Cousin. Und morgen werde ich nicht viel besser aussehen.«
»Ich habe ihm erzählt, du hattest einen Autounfall. Es spielt keine Rolle, wie du aussiehst. Was zählt, ist Proteus. Er will das Projekt sehen, und wir haben ihm zugesichert, dass er es als Erster zu sehen bekommt. Bevor wir die Patente anmelden. Du weißt, Goddard ist jemand, der den Scheck an Ort und Stelle ausstellen kann. Wir müssen es machen, Henry. Bringen wir es hinter uns.«
Pierce hob kapitulierend die Hände. Geld war immer die Trumpfkarte.
»Er wird trotzdem eine Menge Fragen stellen, wenn er mein Gesicht sieht.«
»Schau«, sagte Condon. »Das Ganze ist doch reine Show. Keine große Affäre. Bis zum Mittagessen bist du mit ihm fertig. Wenn er Fragen stellt, erzähl ihm einfach, du bist durch die Windschutzscheibe geflogen, und damit hat es sich. Ich meine, du hast nicht mal mir erzählt, was passiert ist. Warum sollte es da bei ihm anders sein?«
Pierce sah den kurzen Ausdruck der Kränkung in den Augen seines Partners.
»Charlie, zu gegebener Zeit werde ich dir alles erzählen. Nur im Moment geht es noch nicht.«
»Klar, dafür hat man ja Partner – damit man ihnen zu gegebener Zeit etwas erzählt.«
»Hör zu, ich weiß ja, dass du Recht hast. Ich gebe zu, dass nicht richtig ist, was ich tue. Deshalb würde ich dich bitten, dieses Thema vorerst einfach außen vor zu lassen.«
»Klar, Henry, ganz, wie du willst. Woran arbeitest du gerade?«
»Nichts Besonderes. Nur irgendwelcher blöder Schreibtischkram.«
»Aber für morgen bist du bereit?«
»Ich bin bereit.«
Condon nickte. »Wir sind so oder so auf der Siegerstraße. Entweder wir kriegen sein Geld, oder wir melden die Patente an, gehen mit Proteus zur Presse und spätestens im Januar stehen sie beim ETS Schlange wie bei der Premiere von Star Wars , um mit uns reden zu können.«
Pierce nickte. Aber er hasste es, zum jährlichen Emerging Technologies Symposium nach Las Vegas zu fahren. Es war das denkbar krasseste Aufeinanderprallen von Wissenschaft und Finanzwelt. Voll von Scharlatanen und DARPA-Spionen. Aber dennoch ein notwendiges Übel. Es war vor zehn Monaten bei dieser Veranstaltung gewesen, dass sie zum ersten Mal einen von Maurice Goddards Leuten angespitzt hatten.
»Wenn wir uns überhaupt bis Januar über Wasser halten können«, sagte Pierce. »Wir brauchen jetzt Geld.«
»Mach dir deswegen mal keine Sorgen. Mein Job ist es, Geld aufzutreiben. Ich kann zur Überbrückung sicher erst mal ein paar kleinere Fische ködern, bis wir einen neuen Wal an Land gezogen haben.«
Pierce nickte. Sein Partner hatte ihm wieder Mut gemacht. In seiner augenblicklichen Situation erschien es schon absurd, auch nur einen Monat vorauszudenken.
»Okay, Charlie.«
»Aber dazu wird es gar nicht kommen. Wir werden nämlich Maurice an Land ziehen, klar?«
»Klar.«
»Gut. Dann halte ich dich nicht mehr länger von der Arbeit ab. Morgen um neun?«
Pierce lehnte sich in seinen Sessel zurück und stöhnte. Sein letzter Protest gegen die Terminplanung.
»Ich werde da sein.«
»Unser unerschrockener Anführer.«
»Aber klar doch.«
Charlie klopfte laut an die Innenseite der Tür, vielleicht ein Zeichen der Solidarität, und ging. Pierce wartete einen Augenblick, dann stand er auf und schloss die Tür ab. Er wollte keine Störungen mehr.
Er wandte sich wieder den Ausdrucken zu. Nach dem kurzen Bericht über Lilly Quinlan kam ein umfangreiches Dossier über William Wentz, Inhaber und Geschäftsführer von Entrepreneurial Concepts Unlimited. Dem Bericht zufolge saß Wentz an der Spitze eines unaufhaltsam expandierenden Imperiums von Internetschmuddelkram, das von Callgirlringen bis zu Pornosites reichte. Verwaltet wurden diese Sites zwar von Los Angeles aus, aber sie operierten in zwanzig Großstädten in vierzehn Bundesstaaten und waren übers Internet natürlich überall auf der Welt zu
Weitere Kostenlose Bücher