Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
vorzuweisen, wohinter Pierce Unzucht mit Minderjährigen vermutete.
Pierce sah sich die Verbrecherfotos von Allison an. Den beigefügten Unterlagen zufolge war er sechsundvierzig Jahre alt, obwohl die Fotos einen Mann zeigten, der älter hätte sein können. Er hatte mit Pomade nach hinten frisiertes grau meliertes Haar. Sein geisterhaft blasses Gesicht wurde von einer Nase beherrscht, die aussah, als sei sie mehr als einmal gebrochen worden.
Er griff nach dem Telefon und rief noch einmal Janis Langwiser an. Diesmal musste er nicht so lang warten, bis er sie dran bekam. »Nur ein paar kurze Fragen«, sagte er. »Können Sie mir sagen, was Kuppelei im rein juristischen Sinn ist?«
»Das ist eine Anklage wegen Zuhälterei. Es bedeutet, jemand stellt gegen Geld oder Waren eine Frau für Sex zur Verfügung. Warum?«
»Gleich. Und SKV? Was ist SKV?«
»Das hört sich nicht nach etwas aus dem kalifornischen Strafrecht an, aber normalerweise steht SKV für schwere körperliche Verletzung. Das müsste Teil einer Anklage wegen Körperverletzung sein.«
Pierce dachte kurz nach. SKV, wie zum Beispiel jemandem mit einem Telefon ins Gesicht zu schlagen und ihn dann im zwölften Stock von einem Balkon herunterhängen zu lassen.
»Warum, Henry? Haben Sie mit Renner gesprochen?«
Er zögerte. Er hätte sie nicht anrufen sollen, weil daraus hervorging, dass er der Sache weiterhin nachging, obwohl sie ihm ausdrücklich nahe gelegt hatte, die Finger davon zu lassen.
»Nein, nein. Ich habe hier nur gerade die Backgroundanalyse eines Bewerbers vor mir liegen. Manchmal wird da nicht so ganz klar, was das alles konkret bedeutet.«
»Jedenfalls hört es sich nicht nach jemandem an, den man gern als Mitarbeiter hätte.«
»Da haben Sie wohl Recht. Vielen Dank jedenfalls. Und setzen Sie es einfach auf meine Rechnung.«
»Keine Sorge.«
Nachdem er aufgelegt hatte, nahm er sich die letzte Seite von Zellers Bericht vor. Darauf waren alle Internetseiten aufgeführt, die er mit Wentz und ECU hatte in Verbindung bringen können. Die einspaltige Liste nahm die ganze Seite ein. Die sexuellen Permutationen und Zweideutigkeiten in den Namen und Adressen der Sites waren fast zum Lachen, aber irgendwie machte sie ihre schiere Menge nur noch widerwärtiger. Das war alles das Werk eines einzigen Mannes. Es war kaum zu glauben.
Als sein Blick die Liste hinunterwanderte, blieb er an einem Eintrag – FetishCastle.net – hängen, und er merkte, dass er diese Site kannte. Er hatte schon von ihr gehört. Es dauerte eine Weile, aber dann fiel ihm ein, dass Lucy LaPorte ihm erzählt hatte, sie hätte Lilly Quinlan bei Fotoaufnahmen für die Fetish-Castle-Site kennen gelernt.
Pierce schwenkte auf seinem Sessel zum Computer herum, startete ihn und ging online. Nach wenigen Minuten befand er sich auf der FetishCastle-Homepage. Das Begrüßungsbild war eine Asiatin, die außer schenkelhohen schwarzen Stiefeln so gut wie nichts anhatte. Sie hatte die Hände auf ihre nackten Hüften gelegt und die Pose einer strengen Lehrerin eingenommen. Die Page lockte Abonnenten mit Downloads tausender Fetischfotos, Streaming Videos und Links zu anderen Sites. Alles kostenlos – nach Bezahlung einer Aufnahmegebühr, versteht sich. Die verschlüsselte, aber leicht zu entziffernde Themenliste enthielt Dominanz, Unterwerfung, Umwandlungen, Wassersport, Ersticken und dergleichen mehr.
Pierce klickte auf den JOIN-Button und kam auf eine Seite mit einem Menü für verschiedene Abonnements und der Zusicherung sofortiger Aufnahme und sofortigen Zugangs. Die Beitrittsgebühr betrug monatlich 29,95 Dollar, die von einer Kreditkarte seiner Wahl abgebucht wurden. In dem Menü wurde in hervorgehobener Schrift ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Abbuchungen auf allen Bankauszügen unter ECU Enterprises aufgeführt würden, was der Ehefrau oder dem Chef bei Rechnungseingang natürlich nicht so schnell auffiele wie etwa FetishCastle.
Es gab auch ein Einführungsangebot für 5,95 Dollar, mit dem man fünf Tage Zugang zu der Site erhielt. Nach Ablauf dieser Frist bekam man nichts mehr von seiner Kreditkarte abgebucht, außer man meldete sich für ein Monats- oder Jahresabo an. Dabei handelte es sich um ein einmaliges Angebot pro Kreditkarte.
Pierce holte seine Geldbörse heraus und beantragte mit seiner American-Express-Karte das Einführungsangebot. In wenigen Minuten hatte er einen Zugangskode und einen Usernamen und ging auf die Site, wo er zunächst auf einer
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