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Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niel Bushnell
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Weltkrieg. Du weißt schon, Hitlerdeutschland und so.«
    »Also mein Krieg ist das nicht, Kumpel.« Davey knöpfte sich lässig wieder die Hose zu, stopfte sein schmuddeliges Hemd in den Bund und wischte ein paar Krümel von seinem langen Mantel. »Ich hab andere Sorgen.«
    »Was könnte wichtiger sein als das hier?« Jack deutete auf die qualmenden Wunden Londons.
    »Rouland.« Davey kehrte dem Fluss den Rücken zu und machte sich auf den Weg in die tristen Straßen. Jack sah seinem künftigen Großvater nach, und dann rannte er los, um ihn wieder einzuholen.
    Selbst um diese Zeit war der Fischmarkt von Billingsgate ein lärmendes Chaos. Die Gerüche unzähliger Fischsorten vermengten sich und strömten hinaus in das umliegende Viertel. Einen so pulsierenden, lebendigen Ort hatte Jack noch nie gesehen, nicht einmal 2013. Überall standen Markthändler bei ihren Ständen auf Stühlen und Tischen und brüllten ihre Preise über die Köpfe der Leute hinweg, dass es einem in den Ohren dröhnte. Unten machten sich Käufer Notizen, riefen Gegenangebote, wurden hier mit einem Verkäufer handelseinig und zogen dort zum nächsten Stand weiter. Die derben Sprüche waren fast genauso bemerkenswert und deftig wie die Gerüche, die ihm in die Nasennebenhöhlen stachen. Die Leute warfen so frech und gut gelaunt mit Ausdrücken um sich, dass er lachen musste.
    Die beiden Jungen spazierten durch das Gewimmel von Köchen und Restaurantbetreibern. Hier und da waren vornehm gekleidete Männer zu sehen, die Haushofmeister bedeutender Familien, die den besten Fang für das Abendessen ihrer Herrschaften erwerben wollten.
    Ein beleibter Fischhändler, zwischen dessen Lippen eine glimmende Zigarette baumelte, warf einen riesigen Lachs direkt über Jacks Kopf hinweg. Ein Junge, nicht älter als Jack, fing den fliegenden Fisch gewandt auf und wickelte ihn für einen Kunden ein.
    »Wohin gehen wir?«, rief Jack über den Lärm hinweg.
    »Ist nicht mehr weit«, antwortete Davey. Er führte Jack aus dem Gewimmel hinaus zu einer blauen Tür, klopfte an und wartete.
    Nachdem fast eine Minute vergangen war, sagte Jack: »Versuch’s noch mal. Vielleicht hat es keiner gehört.«
    »Geduld«, sagte Davey. »Die haben es schon gehört.«
    Eine weitere Minute verging, dann war das schwere Klacken eines Schlüssels zu hören, und die Tür öffnete sich. Ein Windstoß pfiff an Jack vorbei, und aus der Dunkelheit des Flures schälte sich eine Gestalt. Es handelte sich um einen großen dünnen Mann in einem weißen Hemd mit hohem Kragen, das bis unters Kinn zugeknöpft war. Seine Haare waren lang, gepflegt, mit grauen Schläfen. Jacks Blick wanderte zum Gesicht des Mannes weiter, und er schrie unwillkürlich auf.
    Der Mann hatte nur ein Auge. Ein dunkles Loch markierte die Stelle, wo sein rechtes Auge hätte sein müssen. Sein linkes Auge schien zu groß, eine enorme sich drehende weiße Kuppel, die so aussah, als ob sie ihm jeden Moment aus der Augenhöhle fiel. Die milchige Pupille brach ihre nervöse Suche ab und richtete sich auf Jack. Der Mann grunzte, seine haarigen Nasenlöcher blähten sich wie die Nüstern eines Pferdes, und Jack wich vor ihm zurück und stieß dabei gegen Davey.
    »Schön ruhig bleiben!«, flüsterte Davey ihm ins Ohr. »Sonst regst du ihn auf.«
    Der Fremde lächelte und entblößte eine Reihe rasiermesserscharfer Zähne. Ungleichmäßige Furchen kerbten ihren gelben Schmelz, als wären sie mit einem scharfen Werkzeug zurechtgefeilt worden. Wortlos winkte der Mann die beiden mit seinen Klauenfingern hinein.
    Davey schlug Jack ins Kreuz. »Entspann dich, okay? Das ist bloß Harodon. Der beißt schon nicht.« Davey nickte dem Mann lässig zu. »Stimmt’s, Harodon? Viel zu tun heute?«
    Der Mann grunzte unverbindlich.
    »Na ja, ich kann hier nicht den ganzen Tag stehen und quatschen, Großer.« Davey seufzte. »Es gibt noch was zu tun. Sachen organisieren, Menschen fressen …«
    Harodon grinste, dass seine Haifischzähne blitzten, dann wandte er sich um und ging den Jungen durch die Tür voraus. Davey schob Jack in einen feuchten Korridor hinein, der voller unheimlicher oranger Schatten war.
    Bei der Tür zu einem Lastenaufzug blieb Harodon stehen, öffnete das quietschende Metallgitter und winkte die Jungen hinein. Er hielt Jack seine offene Handfläche hin.
    »Was will er denn?«, flüsterte Jack.
    »Bezahl ihn«, antwortete Davey leise.
    »Womit?«
    Die langen spinnengleichen Finger wackelten ungeduldig, und das Riesenauge

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