Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niel Bushnell
Vom Netzwerk:
eine zu schwere Bettdecke auf sein Gesicht legen. Er schnappte panisch nach Luft und tastete in der Dunkelheit nach dem Türgriff.
    Plötzlich sackte unter ihm der Fußboden weg. Sein Magen machte einen Satz, und der Inhalt der Besenkammer verschwand nach oben und nahm Jacks lähmende Platzangst mit sich. Er schrie auf, gleichzeitig vor Erleichterung und Angst.
    Sie sausten mehrere Minuten lang abwärts, eisige Luft strich über Jacks Gesicht und beruhigte seine Übelkeit, bis sie mit einem Ruck anhielten. Als seine Augen sich an das schwache dunkelrote Licht gewöhnten, sah er, dass Davey, Eloise und Torbalan immer noch bei ihm waren. Die Wände und die Decke des Schranks waren verschwunden; es war nur noch eine kleine Plattform aus Holz übrig, an deren Unterseite Kabel und Drähte befestigt waren. Jack spähte über den Rand der kleinen Bodenplatte und wurde von einem anderen Sinneseindruck erfasst: Schwindel. Um sie herum war nur Leere – ein endloses, dunkles Nichts.
    »Wo sind wir?«, fragte er ängstlich.
    »Dies ist die Gegend der Schwarzwichte«, sagte Eloise leise, »das Reich des Vergessens.«
    Torbalan brummelte vor sich hin und wühlte in seinem Sack nach irgendetwas. Er zog kräftig, und eine brennende Laterne an einem langen Stab kam zum Vorschein. Er steckte das Ende in ein Loch am Rand der Plattform, die nun in warmes Licht getaucht war. Als Nächstes holte er wieder die alte Landkarte hervor und dazu noch einen dicken Bleistift, dessen Ende abgekaut war. Er prüfte die Karte in dem flackernden Licht und zog zwischen zwei Runensymbolen eine lange krakelige Linie. Fast sofort war zu hören, wie aus der Dunkelheit etwas kreischend und pfeifend auf sie zuraste, und eine große Metallröhre tauchte aus dem Zwielicht auf. Der schlangenartige Umriss wurde größer, während er sich näherte, und Jack konnte eine Vielzahl kleinerer Kabel sehen, die entlang seiner narbigen Oberfläche verliefen wie Maden, die sich an Fleisch labten. Aus den Verbindungsgelenken der Röhre traten zischende Dampfströme aus, und sie wurde immer länger, wobei jedes neue Teilstück dünner war als das vorhergehende, bis sie direkt vor der Plattform eines ausfuhr, das nur noch wenige Zentimeter Durchmesser besaß. Das Ende schob sich energisch in einen Schlitz an der Unterseite der Plattform und aus den Spalten zwischen den Brettern kamen Unmengen von Dampf gezischt, sodass Jacks Beine unangenehm heiß wurden. Er konnte nirgendwo anders hin, aber der Dampfausstoß endete abrupt, als eine Vielzahl kleinerer Kabel das Hauptrohr einholte. Unter vielem Klicken, Zischen und Pfeifen verbanden sie sich mit der Plattform, bis sie das Hauptrohr umhüllten wie Efeu einen Baumstamm.
    Das Rohr ächzte und keuchte, als sich drinnen Druck aufbaute und die Plattform vibrieren ließ, sanft zuerst, dann aber immer stärker, bis Jack sicher war, dass der ganze Appa rat jeden Moment explodierte. Die Lautstärke schwoll ohren betäubend an, Kabel peitschten, Dampf zischte und Metall rieb knarrend an Holz. Jack kauerte sich instinktiv hin und hielt sich am Rand der Plattform fest. Gleich darauf waren auch Eloise und Davey neben ihm auf den Knien, und nur der Schwarzwicht stand noch.
    »Muss erst Druck aufgebaut werden!«, rief Torbalan. Er war über dem Lärm kaum zu verstehen. »Dauert bloß noch einen Moment. Lässt sich leider nicht vermeiden.« Er kritzelte etwas auf die Karte, und plötzlich schoss die Plattform ruckelnd das unebene Rohr entlang.
    In der Dunkelheit um sie herum konnte Jack flüchtige Bli cke auf vorbeirasende Umrisse erhaschen – auf andere Räume von tausend verschiedenen Häusern, die im Land der Schwarz wichte alle irgendwie miteinander verbunden waren.
    »Das muss Magie sein«, dachte er laut.
    »Keine Magie«, antwortete Eloise. »Ein Vertrag hat das möglich gemacht. Vor vielen Jahrhunderten waren die Schwarz wichte ein mächtiges und stolzes Volk. Sie lehrten die Begründer der ersten Welt die großen Geheimnisse der Geometrie. Das gestattete den aufgeklärten Menschen, größere Häuser und Städte zu bauen, sowohl in der ersten als auch in der zweiten Welt. Als Gegenleistung verlangten die Schwarz wichte einen Anteil an allen unseren Häusern. Also wur den ihnen die kleinsten Räume überlassen, damit sie sie als Leitungsrohre zwischen den Reichen nutzen können. Seither ist die Zahl der Schwarzwichte zurückgegangen und ihre Ge sellschaft zerfallen.«
    Torbalan grunzte wie in der Erinnerung an eine ferne Zeit.

Weitere Kostenlose Bücher