Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
sich ab.
»Jack, es ist doch längst passiert. Das ist alles Vergangenheit.«
»Aber … was soll das Ganze dann?«
»Was meinst du damit?«
»Wenn wir nichts ändern können, wenn wir nichts besser machen können, was bringt es dann, ein Springer zu sein?«
»Dinge passieren aus einem bestimmten Grund. Es steht uns nicht zu, sie infrage …«
»Es steht uns nicht zu?«, unterbrach Jack ihn zornig. »Wenn es uns nicht zusteht, wem denn dann?«
»Keine Ahnung«, sagte Davey betreten. »Wer kann denn sagen, wann man das Richtige tut? Wenn Timothy nicht stirbt, dann vielleicht jemand anders. Wen will man da auswählen, Jack? Wer soll es dann sein?«
Jack suchte nach einer Antwort.
»Das auszutüfteln ist ein paar Nummern zu groß für uns«, fügte Davey hinzu. Er sah Jack mitfühlend an. »Und wenn du es noch so sehr möchtest, du kannst deine Mutter nicht retten. Schlag es dir aus dem Kopf, irgendwas zu ändern, bevor du mehr Schaden als Gutes anrichtest.«
Daveys Argumente steigerten Jacks Entschlossenheit nur. Das Bild seiner Mutter verdüsterte seine Gedanken, und er sah zu der Villa hinauf, direkt in die Augen von Timothy McBride an einem der eisblumenbedeckten Fenster. Ein überwältigen der Drang erfasste ihn, und er lief noch einmal die Stufen hin auf und klopfte an die Tür.
»Jack!«, rief Davey, aber er ließ sich nicht bremsen. Er klopfte noch einmal und wartete ungeduldig auf Antwort.
Der Butler öffnete langsam die Tür.
»Ich muss mit Mr. McBride sprechen!«, rief Jack. »Sein Leben ist in Gefahr.«
»Mach, dass du wegkommst, Bursche.« Der Butler schob ihn von der Tür weg.
»Bitte, ich muss mit ihm reden. Er wird morgen sterben.«
»Ich sollte den Schutzmann rufen. Mach lieber, dass du wegkommst, sonst tue ich es.« Der Butler hatte die Tür schon fast geschlossen, als eine ruhige Stimme ihn anwies, es nicht zu tun. Timothy kam an die Tür und ging an dem seufzenden Butler vorbei, dem es widerstrebte, sich von der Haustür zurückzuziehen.
»Vielen Dank, Wainwright.« Timothy nickte höflich. Der Butler verschwand in der dunklen Eingangshalle. »Also heraus mit der Sprache, Bursche«, sagte Timothy und musterte Jack mit grimmiger Entschlossenheit. »Was hast du mir zu sagen?«
»Ich weiß, das klingt verrückt«, sprudelte Jack los, »aber bleiben Sie morgen zu Hause. Gehen Sie nicht nach draußen. Sagen Sie alles ab, was Sie vielleicht vorhaben.« Er hörte selbst, wie verzweifelt das klang, und fragte sich, ob Timothy es auch merkte.
»Morgen? Unmöglich!«, antwortete der Mann gelassen. »Ich bin zum Mittagessen verabredet.«
»Wenn Sie morgen nach draußen gehen, werden Sie von einer Kutsche überfahren und … und sterben.«
Timothy ließ sich Jacks Worte durch den Kopf gehen und verzog seine schmalen Lippen dann zu einem Lächeln. »Wie überaus grotesk. Bist du ein Zigeuner? Ich fürchte, ich habe für solchen mystischen Hokuspokus nichts übrig, und ich werde dir ganz gewiss kein Geld geben, falls du darauf aus bist.«
Timothy begann die große Tür zu schließen. Jack legte seine Hand dagegen, um ihn davon abzuhalten. »Bitte. Was kann ich tun, um Sie zu überzeugen?«
Timothy lächelte, aber die Wärme war aus seinem Gesicht verschwunden. »Das hast du bereits, junger Mann, das hast du bereits. Nun entferne dich bitte von meiner Türschwelle. Guten Tag.«
Jack zögerte, trat zurück und ließ die Hand sinken. Er kam sich vor wie ein Henker, der einen Unschuldigen hinrichtete, und als die Tür langsam ins Schloss fiel, wusste Jack, wie es war, wenn man einfach nichts machen konnte. Niedergeschlagen trat er zurück auf die Straße.
Davey legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Tja, was hast du denn gedacht, was er sagen würde?«
»Keine Ahnung. Aber ich musste es versuchen.«
»Das macht dich zu einem von den Guten, Jack. Du hast es wenigstens versucht. Mehr als ich getan hätte.«
»Vielleicht können wir morgen auf ihn aufpassen«, schlug Jack vor. »Und dafür sorgen, dass ihm nichts passiert. Oder …«
Davey packte ihn bei den Schultern. »Jack, du durchdenkst das nicht richtig. Wenn er nicht stirbt, dann gibt es keinen Tränentunnel und damit keinen Weg zurück ins Jahr 1940. Wir wären hier für immer gefangen. Er muss sterben. Begreifst du das denn nicht?«
Jack sah zurück zu der Villa, aus deren Schornsteinen Rauch aufstieg, und ihm traten Tränen in die Augen. Tränen um Timothy McBride, vor allem aber um seine Mutter. Wieder stand ihm ihr Tod vor
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