Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
ignorieren, ihn meiner Art zu denken anzupassen. Ich habe die Normalität unseres gemeinsamen Lebens genossen. Dann haben wir dich bekommen.« Sie drehte sich um und sah ihn direkt an; ihre Augen füllten sich mit dicken Tränen. »Zuerst war alles toll, aber dann bist du krank geworden. Sehr krank.«
»Das weiß ich noch«, sagte Jack leise. Er hatte immer noch lebhafte Erinnerungen an ergebnislose Krankenhausbesuche, an Ärzte mit Spritzen, an schmerzhafte Untersuchungen.
»Mir war klar, dass dich nichts in der Zweiten Welt je würde retten können. Aber in der Ersten bestand eine Chance. Ich durfte dich nicht verlieren, Jack, ich durfte es einfach nicht. Ich habe etwas gefunden, etwas, das dich retten konnte.«
»Die Rose«, sagte Jack.
»Ja, die Rose.«
»Wie hast du sie gestohlen?«
»Unser Haus hat viele Verbündete, oder jedenfalls hatten wir viele. Ich bin in die Erste Welt zurückgekehrt und habe mich auf jeden Gefallen berufen, den mir noch jemand schul dig war, alles, um die Rose zu finden. Du willst nicht wissen, was ich alles getan habe, um sie zu finden. Schreckliche Dinge. Ich hab getan, was ich tun musste, was jede Mutter getan hätte, und nun habe ich den Preis dafür zu zahlen. Die Rose ist eine lebendige Energie. Sie besitzt stärkende Kräfte. Ich habe ihre Macht benutzt, um dich zu heilen. Der Duft der Rose ist an dir.«
»Rouland will die Rose«, sagte Jack drängend. »Ich glaube, er ist schon hierher unterwegs, um sie sich zu holen.«
»Ich weiß. Die Rose verstärkt meine eigenen Fähigkeiten. Ich kann spüren, was bevorsteht.«
»Ich kann dir helfen, Mum, du kannst mit mir mitkom men.« Jack sprach schnell. »Ich kann dich durch einen Tränen tunnel zurückbringen, irgendwohin, wo es sicher ist.«
Catherine schüttelte entschieden den Kopf. »Es ist zu spät, Jack. Für mich ist es nirgendwo sicher, aber du hast immer noch eine Chance. Roulands Agenten sind unterwegs; sie wol len mich holen.«
Sie nickte zum Balkon und war sich eindeutig der Gestalt bewusst, die Jack vorhin gesehen hatte, des Mannes, der drau ßen auf Beobachtungsposten stand. »Du musst jetzt gehen, Jack.«
»Nein!« Jack explodierte. »Ich bin nicht so weit gekommen, ich habe nicht das alles durchgemacht, um mich jetzt wegzudrehen und dich im Stich zu lassen. Ich werde dich nicht ein zweites Mal verlieren, Mum! Davey und Eloise kön nen auch helfen, wir sind nicht allein.«
Catherine wandte sich vom Balkon ab und starrte Jack an. »Davey ist nicht zu trauen.«
»Aber er ist dein …«
»Ich weiß genau, wer er ist, Jack! Er ist ein Macher, genau wie ich. Zum Teufel, er hat mir beigebracht, wie man das anstellt. Er wird alle um sich herum manipulieren, und es wird ihn total verderben.«
»Aber Davey ist mein Freund.«
»Das überleg dir lieber noch mal, Jack.« Catherine sah zur Tür. »Sie kommen.«
Sie schloss die Augen, als würde sie sich völlig auf etwas konzentrieren. Als sie die Augen wieder öffnete, sah Jack tierische Angst darin. Sie lief aus dem Zimmer und kehrte Sekunden später mit dem siebenjährigen Jo-Jo zurück. Der Kleine wirkte verschlafen, verwirrt und müde.
»Mum«, sagte er und schaute unschuldig zu ihr hoch, »be komme ich Frühstück?« Dann sah er Jack. »Wer ist das?«
»Das ist Jack.«
Jo-Jo legte den Kopf schief. »Ich heiße auch Jack. Mum nennt mich Jo-Jo.«
Jack bekam kein Wort heraus; er wusste nicht, wohin mit seinen Gefühlen.
»Du gehst mit Jack auf eine Reise«, sagte Catherine rasch. »Hab keine Angst.« Sie wandte sich an Jack. »Uns bleibt kaum noch Zeit. Nimm Jo-Jo mit, versteck ihn.«
Jack nahm die Hand seines jüngeren Ichs. Wie konnte das hier wirklich passieren? Es war erst der 5. Juni. Seiner Mutter blieb noch ein ganzer Tag, oder nicht? Bevor er noch pro testieren konnte, erbebte der Raum unter einem gewaltigen Schlag, und Catherine zog Jack und Jo-Jo in den Flur, zu der kleinen Kammer, deren Tür von allein aufging. Ein bläulicher Nebel wallte hervor, und die verformte Gestalt eines Schwarzwichts kam herausgekrochen. Im selben Moment ging die Wohnungstür auf, und Davey und Eloise platzten hinein.
»Überall sind Paladine!«, rief Davey.
Catherine schob Jack und Jo-Jo in die kleine Kammer.
»Mum! Komm rein!«, schrie Jack. Er war an die hintere Wand der Kammer gepresst und konnte nicht aufstehen. Er sah seine Mutter, die Eloise, Davey und den Schwarzwicht irgendwie in die Kammer schob, ohne sie zu berühren. Er spürte wilde statische Ladungen
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