Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
überall um sich herum. Er spähte zwischen den anderen hindurch und sah seine Mutter, deren Haare nach oben flossen und über deren Körper Lichtbogen sprangen. Bücher und Spielzeug stiegen in die Luft empor und kreisten um Catherines Kopf, als die Wohnungstür in tausend Splitter zerbarst und zwei Paladine hereinstürmten.
Catherine hob die Hände, und die beiden Ritter brachen zusammen. Dann tauchte noch jemand in der Türöffnung auf, alt und voller Bosheit. Aus seinen Händen schlugen ebenfalls Funken roher Energie, als er auf Catherine zu schwebte.
Jack schrie auf, und ihm wurde die Luft aus dem Mund gesogen. Die Kammertür schlug zu, und im selben Moment rasten sie abwärts in Kälte und Dunkelheit. Ein Bild hatte sich in Jacks Netzhaut eingebrannt, ein Anblick, von dem er ohnmächtig zu werden drohte. Er hatte das Gesicht des Angreifers seiner Mutter gesehen und voller Schock sofort erkannt. Sie waren sich schon einmal begegnet, gleich nach Jacks erster Reise durch einen Tränentunnel.
Jacks Großvater, voller Hass, mit elektrischen Funken an den Fingerspitzen, kam herangeflogen. Und der alte David lachte und griff seine eigene Tochter an.
25 Ins Vergessen
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Ins Vergessen
A lles wurde still, Jack hörte nur noch sein eigenes atemloses Keuchen. Dann wurde auch das leiser, und nur das rhythmische Pulsieren des Blutes in seinen Adern blieb noch übrig. Alles, was geschah, spielte sich ein Stück von ihm entfernt ab, wie am Ende eines dunklen Tunnels.
Davey schrie verzweifelt irgendetwas, aber Jack konnte seine Stimme nicht hören. Mit langsamen, zeitlupenhaften Bewegungen ließ er Jo-Jos Hand los. Jack sah nach oben, und Davey füllte sein Gesichtsfeld aus. Ein Zorn wuchs in ihm, dehnte sich aus, bis ihm fast der Schädel platzte und er keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen konnte. Wie ein Tier fühlte J ack sich jetzt, untröstlich und wild. Seine Muskeln spannten sich an, er sprang vor und streckte die Hände nach Daveys Gesicht aus. Schreiend stieß er ihm die Knie in die Brust. Er spürte, wie Daveys Nase unter seinem Faustschlag brach. Blut spritzte ihm übers Gesicht, färbte es rot. Seine Finger fanden Daveys Kehle, und er drückte mit brutaler Kraft zu.
Dann riss ihn jemand zurück: Eloise. Sie drückte ihn auf die Plattform.
»Ich leg ihn um!«, brüllte Jack. »Ich leg ihn jetzt um, dann kann nichts davon mehr passieren!«
Eloise hielt ihn fest; ihr bleiches Gesicht sah verwirrt aus. »Was ist denn los mit dir?«
Davey setzte sich unbeholfen auf, und Jack sah das zer schlagene und blutige Gesicht seines künftigen Großvaters.
Ich war das, dachte er.
»Sag mal, hast du sie noch alle, Jack?« Davey spuckte Blut von seiner anschwellenden Lippe.
»Du warst das die ganze Zeit. Du hast sie ermordet«, sagte Jack voller Zorn.
»Ich hab überhaupt nichts gemacht.«
»Wirst du aber! Das warst du, dein altes Ich! Du hast meine Mum angegriffen, deine eigene Tochter. Wie konntest du nur?«
Davey machte den Mund auf, wollte schon zurückschreien, aber dann ging ihm auf, was Jack meinte.
Eloise starrte Jack geschockt an. »Es war Davey?«
»Jack, das kann ich nicht gewesen sein, das geht gar nicht!«, stammelte Davey. »Ich kann die Sachen gar nicht, die er gemacht hat. Er war ein …«
»Ein Operator?«, brüllte Jack.
»Ja.« Daveys Stimme war leise und hohl. Um die Platt form herum heulte der Wind. »Aber ich kann so was nicht«, hielt er dagegen. »Ich bin kein Operator, ich kann gar nichts.«
»Noch bist du keiner, aber bald. Und es wird dich verderben, und dann bringst du meine Mum um«, rief Jack. Er sah zu Eloise hoch, die ihn immer noch am Boden festhielt. »Lass mich los, lass mich das jetzt zu Ende bringen!«
»Und wenn du Davey jetzt tötest, wie soll dann deine Mut ter auf die Welt kommen?«, fragte Eloise leise. »Wie sollst du auf die Welt kommen?«
Das Pochen in Jacks Kopf wurde langsamer und ließ nach. Sein Tunnelblick verschwand, und alles rückte wieder näher. Sein schrecklicher Zorn ging in eine Tränenflut über, als er begriff, wie erbärmlich wenig er machen konnte.
Dann kam ihm ein neuer gefährlicher Gedanke: Was, wenn Davey längst ein Operator war und diese Gabe dazu benutzte, sich in seinen Geist einzuschleichen, ihm beruhigende Gedanken einzuflüstern und es so wirken zu lassen, als wäre er sein Freund? Wie konnte Jack ein Urteil fällen, wenn er nicht einmal seinen eigenen Gedanken trauen durfte? Er sah Eloise Hilfe suchend an. »Er ist ein Operator,
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