Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
»Wir suchen zu dieser Stunde keine Seelen. Wir jagen für jemand anderen. Er will sie. Er befiehlt es. Wir gehorchen ihm. Du gehorchst den Webern.«
Rouland, begriff Jack. Die reden von Rouland. Bis hierher in dieses seltsame Reich reichte seine Macht .
»Gemein!«, ächzte Bubak, dem das Klagen der Seelen zusetzte. »Sehr gemein.«
Das hohe Wimmern bohrte sich in Jacks Kopf, bis er die Schmerzen nicht mehr aushielt und ihm schwarz vor Augen wurde. Er schlug mit dem Kopf auf die Plattform und wurde ohnmächtig.
»Jack, wach auf.«
Er konnte die Stimme hören, aber das war auch schon alles. Seine Augen wollten nicht aufgehen, und sein Kopf fühlte sich an, als wäre er voller Blei. Jemand schüttelte ihn kräftig, dann kam wieder die Stimme.
»Jack, bitte.«
Wer war das? Er konnte es kaum sagen. Die Stimme wirk te verzerrt, tief und vibrierend, als würde er sie aus dem In neren eines hohlen Metalltanks hören. Er holte tief Luft und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Seine Ohren knackten schmerzhaft, dann hörte er wieder besser. Mit einer gewaltigen Anstrengung bekam er endlich die Augen auf. Er befand sich in einem winzigen Raum, Davey stand mit Jo-Jo vor ihm, der sich ängstlich umsah und an einem Fingernagel kaute. Eloise war auch da, sie wirkte ernst und nachdenklich. Ein schwaches grünes Leuchten erhellte sie alle von unten; es stieg von Eloises Schwert auf, das sie gezogen hatte. Bubak war nirgendwo zu sehen.
Als Jacks Augen sich an das wenige Licht gewöhnten, konnte er sehen, dass die Wände aus behauenem Stein bestan den. Die Decke war so niedrig, dass Eloise geduckt stehen musste. Vor ihnen war eine verschlossene Tür.
»Jack, alles okay mit dir?« Die Stimme gehörte Davey.
»Was ist passiert?«
»Keine Ahnung. Wir sind alle umgekippt. Hätte nicht gedacht, dass wir da heil wieder rauskommen. Mit diesen Webern ist nicht zu spaßen.«
»Wir sind noch nicht heil wieder heraus«, sagte Eloise grim mig. »Die Weber haben uns aus einem bestimmten Grund hier abgeliefert. Und unsere Reise muss lange gedauert haben: Es ist längst Nacht.«
Jacks Magen krampfte sich zu einer Kugel zusammen. Dann war ja bald der Sechste. Der Tag, den er gefürchtet hatte.
»Ich möchte hier nicht sein«, quengelte Jo-Jo.
»Das wird schon wieder, Jo-Jo«, tröstete Jack ihn. »Wir bringen dich bald nach Hause.« Er stand auf, schob die eigenen Ängste und Befürchtungen beiseite und lächelte den Kleinen an.
»Na ja, am besten finden wir einmal heraus, wo wir sind, oder?« Davey lächelte und deutete Eloise an, die Tür aufzubrechen.
Sie holte mit dem Schwert aus, so weit sie konnte, und hieb mit aller Kraft auf das Schloss ein. Es zerbrach unter der Wucht, die Tür schwang auf, und Licht fiel in ihr Miniaturgefängnis. Draußen war ein langer Flur zu sehen, von dem auf beiden Seiten Türen abgingen. Sie traten über die zertrümmerten Bretter hinweg und sahen sich vorsichtig um.
Jo-Jo nahm Jacks Hand. »Können wir nach Hause gehen?«
»Bald, hab noch ein bisschen Geduld«, sagte Jack noch einmal und grinste. Das Kind sah zu seinem zukünftigen Ich nach oben und schien beruhigt.
»Ich glaube, er mag dich«, sagte Davey mit einem halbherzigen Lächeln.
Jack antwortete nicht; sein Misstrauen Davey gegenüber war jetzt von ganz anderer Art.
Eloise ging vor, lauschte nacheinander an jeder Tür und versuchte vorsichtig die Klinken. Sie zeigte auf eine Tür zur Rechten. »Hier entlang.«
Die Tür führte zu einer Wendeltreppe aus geglättetem Stein mit einem geschwungenen Handlauf aus Metall. Die Luft wurde während des Aufstiegs kühler, und ihre vorsichtigen Schritte hallten laut das Treppenhaus hinauf. Sie gelangten auf einem Absatz an, der zu einer Tür führte. Eloise drückte die Klinke, und die Tür öffnete sich mit einem Klicken.
Jack konnte nicht glauben, was er da sah. Er trat hinter Eloise und Davey durch die Tür in eine große Halle. Sie standen auf der einen Seite einer riesigen Fläche voller Stühle, die in ordentlichen Reihen arrangiert waren. Sein Blick folgte dem Schachbrettmuster der Bodenfliesen zur Mitte des Saals und einen der zahlreichen gewaltigen Steinpfeiler hinauf, vorbei an detailliert gestalteten Buntglasfenstern, deren Farben der Nachthimmel draußen verschluckte, bis zu einer Gewölbedecke hoch oben. Der behauene Stein schien von innen heraus zu leuchten und schimmerte orange und braun.
Jack ging die Länge der Halle hinunter zu einem riesigen Rund, das sich nach links und
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