Jack Reacher 01: Größenwahn
der Trick ist, daß die Fälschungen auch größtenteils im Ausland bleiben. Und nur ein paar falsche Scheine kommen überhaupt hierher, also ist es zwar kein großer Deal hier im Land, aber wir wollen ihn natürlich trotzdem stoppen. Doch im Ausland stellt es ein ganz anderes Problem dar. Wissen Sie, wieviel Bargeld in den USA im Umlauf ist, Jack?«
Ich dachte an das, was der Typ von der Bank mir gesagt hatte.
»Hundertdreißig Milliarden Dollar.«
»Richtig«, sagte sie. »Aber genau zweimal soviel befindet sich im Ausland. Das ist eine Tatsache. Über den gesamten Erdball verteilt besitzen die Leute an die zweihundertsechzig Milliarden Dollar. Das Bargeld befindet sich in Sicherheitsdepots in London, Rom, Berlin und Moskau, ist überall in Südamerika und Osteuropa in Matratzen gestopft, unter Dielenbrettern und hinter doppelten Wänden versteckt, in Banken, Reiseagenturen, überall. Und warum?«
»Weiß ich nicht.«
»Weil der Dollar bestimmt das sicherste Zahlungsmittel der Welt ist«, sagte sie. »Die Leute vertrauen darauf. Sie wollen es. Und natürlich ist die Regierung sehr, sehr glücklich darüber.«
»Gut für's Ego, richtig?« fragte ich.
Ich hörte, wie sie den Hörer in die andere Hand nahm.
»Es geht um nichts Emotionales«, sagte sie. »Es geht ums Geschäft. Denken Sie nach, Jack. Wenn sich eine Hundert-Dollarnote in irgendeinem Büro in Bukarest befindet, heißt das, daß irgendwo jemand eine Hundertdollanote im Tausch gegen ausländische Zahlungsmittel erworben hat. Es heißt, daß unsere Regierung ihm ein Stück Papier mit grüner und schwarzer Druckfarbe für den Gegenwert von hundert Dollar verkauft hat. Ein gutes Geschäft. Und weil diesem Zahlungsmittel so vertraut wird, besteht die Chance, daß diese Hundertdollanote wahrscheinlich viele Jahre lang in diesem Büro in Bukarest bleiben wird. Die Vereinigten Staaten werden wahrscheinlich nie wieder die ausländischen Zahlungsmittel zurückgeben müssen. Solange man dem Dollar vertraut, haben wir nichts zu verlieren.«
»Und wo ist dann das Problem?«
»Schwierig zu beschreiben«, sagte Molly. »Es geht hier nur um Glauben und Vertrauen. Es ist fast schon metaphysisch. Wenn die ausländischen Märkte mit gefälschten Dollarnoten überschwemmt werden, macht das an sich gar nichts. Aber wenn die Leute auf diesen Märkten das herausfinden, dann macht das schon was. Weil sie dann in Panik geraten. Sie verlieren ihren Glauben. Sie verlieren ihr Vertrauen. Sie wollen keine Dollars mehr. Sie nehmen lieber japanische Yen oder Schweizer Franken, um ihre Matratzen damit zu stopfen. Sie wollen ihre Dollars loswerden. Im Endeffekt müßte die Regierung über Nacht einen ausländischen Kredit von zweihundertsechzig Milliarden Dollar zurückzahlen. Über Nacht. Und das könnten wir nicht, Jack.«
»Ein großes Problem«, sagte ich.
»So ist es. Und ein Problem, auf das wir nur schwer Zugriff haben. Die Fälschungen werden alle im Ausland gemacht und auch größtenteils im Ausland in Umlauf gebracht. Das macht am meisten Sinn. Die Produktionsstätten befinden sich irgendwo in entlegenen Regionen versteckt im Ausland, wo wir nichts über sie erfahren, und die Fälschungen werden an Ausländer verteilt, die glücklich sind, solange sie ungefähr so aussehen, wie echte Dollars aussehen sollen. Deshalb werden auch nicht viele importiert. Nur die besten kommen in die Staaten zurück.«
»Wie viele sind das?« fragte ich sie.
Ich hörte, wie sie nach irgend etwas griff. Und ein kurzes Atemgeräusch, als hätte sie ihre Lippen geschürzt.
»Nicht viele«, sagte sie. »Ein paar Milliarden hier und da, schätze ich.«
»Ein paar Milliarden?« fragte ich. »Das ist nicht viel?«
»Ein Tropfen im Ozean«, erwiderte sie. »Aus makroökonomischer Sicht. Verglichen mit der Gesamtgröße der Wirtschaft, meine ich.«
»Und was genau tun wir dagegen?«
»Zweierlei. Als erstes versuchte Joe wie verrückt zu verhindern, daß es überhaupt passiert. Der Grund dafür ist klar. Als zweites tun wir so, als würde es gar nicht passieren. Um den Glauben aufrechtzuerhalten.«
Ich nickte. Mir dämmerte langsam das System hinter der großen Geheimnistuerei in Washington.
»Okay«, sagte ich. »Wenn ich also beim Finanzministerium anrufen und nachfragen würde?«
»Dann würden wir alles abstreiten. Wir würden fragen: Was für Fälschungen?«
Ich ging durch den stillen Mannschaftsraum und stieg zu Roscoe ins Auto. Bat sie, in Richtung Warburton zu fahren. Es war
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