Jack Reacher 01: Größenwahn
einem langen Gang mit geripptem Gummiboden. Zwei Laufbänder in der Mitte fuhren den Gang hinunter. Auf der rechten Seite hing eine endlose Reihe glänzender, greller Werbeplakate mit den Attraktionen des Südens. Geschäft und Vergnügen, hier gab es alles, soviel war sicher. Auf der linken Seite ging von der Decke bis zum Boden eine Trennwand aus Glas mit einem weißen Streifen in Augenhöhe, damit die Leute nicht gegen die Scheibe prallten.
Hinter dem Glas waren die Flugsteige. Eine endlose Reihe. Die Passagiere kamen aus den Flugzeugen und gingen auf ihrer Seite der Glaswand den Gang entlang. Die Hälfte von ihnen verschwand in Richtung Gepäckausgabe. Dann kamen sie wieder heraus und suchten nach Ausgängen in der Glaswand, die sie in den Hauptgang hinausließen. Die andere Hälfte waren Kurzstreckenflieger ohne großes Gepäck. Sie gingen direkt zu den Ausgängen. Jeder Ausgang war umlagert von einem Haufen von Angekommenen und Abholenden. Wir bahnten uns unseren Weg hindurch, als wir den Gang hinuntergingen.
Passagiere quollen alle dreißig Meter aus den Ausgängen. Freunde und Verwandte kamen näher, und die beiden Menschenströme trafen aufeinander. Wir kämpften uns durch acht verschiedene Menschenansammlungen, bevor wir zum richtigen Flugsteig gelangten. Ich drängte mich einfach hindurch. Ich war beunruhigt. Der Anblick des schwarzen Pick-ups auf dem Parkplatz hatte mich aus dem Gleichgewicht gebracht.
Wir erreichten den Flugsteig. Wir gingen auf unserer Seite der Glaswand an den Ausgängen vorbei. Bis wir die Maschine sehen konnten. Immer noch kamen Leute aus dem Flugzeug. Ich sah, wie sie aus dem Flugsteig quollen und sich in Richtung Gepäckausgabe und Ausgang bewegten. Auf unserer Seite der Glaswand gingen die Leute zu den Flugsteigen weiter hinten. Sie stießen uns an, als sie sich an uns vorbeischoben. Wir wurden den Gang hinuntergezogen. Als würde man in einer starken Strömung schwimmen. Wir mußten ständig zurückgehen, nur um an derselben Stelle zu bleiben.
Hinter der Glaswand strömten die Leute heran. Ich sah eine Frau näher kommen, die Molly hätte sein können. Sie war an die fünfunddreißig, hatte ein geschäftsmäßiges Kostüm an sowie eine Aktentasche und eine Reisetasche dabei. Ich stand da und versuchte, erkannt zu werden, aber die Frau sah plötzlich jemand anders, zeigte auf ihn, gab hinter dem Glas einen stummen Schrei von sich und warf einem Mann zehn Meter entfernt einen Kuß zu. Er drängte rückwärts zur Tür, um dort auf sie zu warten.
Dann hatte ich den Eindruck, daß jede der Frauen Molly sein könnte. Es müssen ein paar Dutzend Kandidatinnen gewesen sein. Sie waren blond und brünett, groß und klein, hübsch und nicht so hübsch. Alle geschäftsmäßig gekleidet, alle mit kleinem Gepäck, alle mit diesem erschöpften, zielstrebigen Gang müder leitender Angestellter in der Mitte eines Arbeitstages. Ich beobachtete sie. Sie trieben hinter der Scheibe mit dem Strom, einige von ihnen spähten nach Ehemännern, Freunden, Fahrern oder Geschäftsfreunden, andere blickten starr geradeaus. Alle wurden durch die treibende Menge mitgerissen.
Eine von ihnen hatte aufeinander abgestimmtes burgunderfarbenes Ledergepäck, eine schwere Aktentasche in der einen Hand und einen Rollkoffer in der anderen, den sie an einem langen Griff hinter sich herzog. Sie war klein, blond und aufgeregt. Sie ging langsamer, als sie aus dem Flugsteig heraustrat, und suchte die Menge hinter der Glasscheibe ab. Ihre Augen flogen über mich hinweg. Dann schnellten sie zurück. Sie sah mir ins Gesucht. Blieb stehen. Hinter ihr stauten sich die Leute. Sie wurde vorwärtsgedrängt. Sie kämpfte sich bis zur Scheibe durch. Ich trat von meiner Seite aus nahe an sie heran. Sie starrte mich an. Lächelte.
»Molly?« fragte ich sie lautlos durch die Glasscheibe.
Sie hielt die schwere Aktentasche wie eine Trophäe hoch. Wies nickend darauf. Lächelte breit in aufgeregtem Triumph. Sie wurde zurückgedrängt. Von der Menge in Richtung Ausgang gerissen. Sie blickte zurück, um zu sehen, ob ich folgte. Roscoe, Finlay und ich kämpften uns hinterher.
Auf Mollys Seite arbeitete der Strom für sie. Auf unserer Seite gegen uns. Wir wurden in doppelter Geschwindigkeit auseinandergerissen. Eine undurchdringliche Gruppe von Collegestudenten trieb auf uns zu. Wollte zu einem Flugsteig weiter hinten. Es waren große, wohlgenährte Kinder, die rücksichtslos mit ihrem sperrigen Gepäck vordrängten. Wir drei wurden
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