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Jack Reacher 01: Größenwahn

Jack Reacher 01: Größenwahn

Titel: Jack Reacher 01: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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aus hatte sie keine Klinke.
    Roscoe lief zurück und nahm sich Molly Beths Koffer. Öffnete ihn. Er enthielt Kleider zum Wechseln und einen Kulturbeutel. Und ein Foto. Mit Messingrahmen im Format acht mal zehn. Es zeigte Joe. Er sah aus wie ich, nur ein bißchen dünner. Mit rasiertem, sonnengebräuntem Schädel. Einem ironischen, amüsierten Lächeln.
    Die Halle wurde vom Gellen eines Warnsignals durchdrungen. Es hielt einen kurzen Moment an, dann setzte sich das Gepäckband wieder in Bewegung. Wir starrten darauf. Starrten auf das verhüllte Loch, aus dem es kam. Der Gummivorhang blähte sich. Eine Aktentasche kam heraus. Burgunderfarbenes Leder. Die Riemen waren durchgeschnitten. Die Tasche war offen. Und leer.
    Sie zuckelte mechanisch vorwärtsgetrieben zu uns herüber. Wir starrten darauf. Starrten auf die durchgeschnittenen Riemen. Sie waren mit einem scharfen Messer durchtrennt worden. Durchtrennt von jemandem, der keine Zeit gehabt hatte, die Verschlüsse zu öffnen.
    Ich sprang auf das laufende Band. Stürzte in Gegenrichtung auf das einen Quadratmeter große Loch zu und hechtete wie ein Schwimmer mit dem Kopf voran durch die Gummilamellen. Ich landete hart, und das Band zog mich langsam wieder hinaus. Ich kroch und kletterte wie ein Kind auf Händen und Füßen vorwärts. Rollte vom Band herunter und sprang auf. Ich war in der Ladezone. Sie war menschenleer. Draußen strahlte die Nachmittagssonne. Es stank nach Kerosin und Diesel von den Wagen, die das Gepäck von den Flugzeugen auf der Rollbahn hierher transportieren.
    Um mich herum stapelten sich vergessene Koffer und verlassene Fracht, Alles war in offenen Lagernischen untergebracht. Der Gummiboden war übersät mit alten Kofferanhängern und langen Strichcode-Etiketten. Der ganze Raum war wie ein schmutziges Labyrinth. Ich schlängelte mich überall hindurch und suchte ohne Hoffnung nach Molly. Ich eilte von einem Gepäckstapel zum anderen. Von einer Lagernische zur nächsten. Ich hielt mich an den Metallregalen fest und hievte mich um die Ecken. Sah verzweifelt umher. Niemand da. Nirgendwo irgend jemand. Ich rannte weiter, schlitterte und rutschte auf den Papierschnitzeln aus.
    Ich fand ihren linken Schuh, Er lag umgekippt am Eingang zu einer dunklen Nische. Ich tauchte hinein. Nichts. Ich versuchte es mit der nächsten Nische. Wieder nichts. Ich hielt mich an einem Regal fest und atmete schwer. Ich mußte systematischer vorgehen. Ich lief zum hinteren Ende des Gangs. Fing an, abwechselnd in jede Nische auf beiden Seiten zu sehen. Links und rechts, links und rechts verfolgte ich meinen Weg zurück, so schnell es ging, in einem verzweifelten, atemlosen Zickzack.
    Ich fand ihren rechten Schuh drei Nischen vor dem anderen Ende. Dann sah ich ihre Blutspur. Am Eingang zur nächsten Nische breitete sich eine klebrige Lache aus. Molly selbst war im Hintergrund der Nische zusammengesunken, lag auf dem Rücken zwischen zwei Türmen aus Kisten in der Dunkelheit. Einfach auf dem Boden ausgestreckt. Blut strömte aus ihr heraus. Ihr Bauch war aufgeschlitzt. Jemand hatte ein Messer hineingerammt und es brutal bis unter die Rippen hochgerissen.
    Aber sie lebte noch. Eine ihrer bleichen Hände flatterte. Ihre Lippen waren mit Blasen aus hellem Blut gesprenkelt. Ihr Kopf bewegte sich nicht, aber ihre Augen fuhren hin und her. Ich stürzte zu ihr. Nahm ihren Kopf in meine Hände. Sie sah mich an. Zwang sich zu sprechen.
    »Bis Sonntag müssen Sie drinnen sein«, flüsterte sie.
    Dann starb sie in meinen Armen.

KAPITEL 21

    Ich hatte in vielleicht sieben verschiedenen Schulen Chemieunterricht gehabt. Viel habe ich nicht gelernt. Bekam nur einen allgemeinen Eindruck. An eine Sache erinnere ich mich, und zwar, daß man einen kleinen Zusatzstoff in eine Glasröhre werfen kann, und alles explodiert mit einem Knall. Nur ein bißchen Pulver, und der Effekt ist riesengroß.
    Dieses Gefühl hatte ich bei der Sache mit Molly. Ich hatte sie vorher noch nie getroffen. Nicht einmal von ihr gehört. Aber ich war über alle Maßen zornig. Ich fühlte mich wegen ihr schlechter als wegen Joe. Was mit Joe passiert war, hatte ihn in Ausübung seiner Pflicht getroffen. Er hätte es akzeptiert. Joe und ich wußten alles über Pflicht und ihr Risiko seit dem Moment, da wir überhaupt etwas wußten. Aber mit Molly war das etwas anderes.
    Die andere Sache, die mir aus dem Chemielabor in Erinnerung geblieben ist, ist die mit dem Druck. Druck verwandelt Kohle in Diamanten. Druck bewirkt etwas.

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