Jack Reacher 01: Größenwahn
Stellte ihn auf niedrige Stufe für langsames Trocknen ein. Ich hatte keine Ahnung, ob ich das Richtige tat. In der Army hatte sich irgendein Corporal um meine Wäsche gekümmert. Hatte sie abgeholt und sauber und gefaltet zurückgebracht. Und danach hatte ich immer nur billige Sachen gekauft und einfach weggeworfen.
Ich ging nackt nach oben in Hubbles Badezimmer. Nahm eine lange, heiße Dusche und schrubbte mir das Mascara vom Gesicht. Blieb eine ganze Weile unter dem heißen Strahl stehen. Wickelte mich in ein Handtuch und ging nach unten, um mir den Kaffee zu holen.
Ich konnte in dieser Nacht nicht mehr nach Atlanta fahren. Ich konnte nicht vor halb vier morgens losfahren. Es war einfach die falsche Stunde, um sich mit einer Ausrede Zutritt zu verschaffen. Ich besaß keinen offiziellen Ausweis. Ein nächtlicher Besuch konnte zu einem Problem werden. Ich mußte das morgen erledigen, gleich als erstes. Mir blieb keine andere Wahl.
Also wollte ich schlafen. Ich drehte das Küchenradio aus und ging hinüber in Hubbles Wohnzimmer. Schaltete den Fernseher aus. Sah mich um. Es war ein dunkler, behaglicher Raum. Viel Holz und große Ledersessel. Neben dem Fernseher eine Stereoanlage. Irgendein japanisches Teil. Reihen von CDs und Kassetten. Mit Schwergewicht auf den Beatles. Hubble hatte erzählt, daß er sich für John Lennon interessierte. Er war am Dakota-Building in New York gewesen und in Liverpool, England. Er hatte einfach alles von den Beatles. Alle Alben, ein paar Bootlegs und die Single-Sammlung auf CD, die in einer Holzbox verkauft wird.
Über dem Schreibtisch war ein Bücherbord. Mit etlichen Fachzeitschriften und einer Reihe dicker Bücher. Zeitschriften und Berichte über das Bankwesen. Die Fachzeitschriften nahmen etwa einen Meter auf dem Bord ein. Sie wirkten ziemlich furchterregend. Verschiedene Ausgaben einer Zeitschrift, die sich Banking Journal nannte. Ein paar Ausgaben eines dicken Magazins namens Bank Management. Eine von Banker. Dazu Banker's Magazine, Banker's Monthly, Business Journal, Business Week, Cash Management Bulletin, The Economist und die Financial Post. Alles alphabetisch und nach dem Erscheinungsdatum geordnet. Immer nur ein paar Ausgaben jeder Zeitschrift, erworben im Zeitraum der letzten paar Jahre. Keine komplette Reihe. Dahinter ein paar Berichte des amerikanischen Finanzministeriums und ein paar Ausgaben von World of Banking. Eine merkwürdige Sammlung. Erschien mir sehr selektiv. Vielleicht waren es besonders wichtige Ausgaben. Vielleicht hatte Hubble darin gelesen, wenn er nicht schlafen konnte.
Ich würde keine Schwierigkeiten haben zu schlafen. Ich war gerade auf dem Weg aus dem Wohnzimmer, wollte mir ein Bett suchen, als mich etwas aufhielt. Ich ging zurück zum Schreibtisch und sah mir noch einmal das Bücherbord an. Fuhr mit meinem Finger über die Reihe der Magazine und Zeitschriften. Überprüfte die Erscheinungsdaten, die unter den großspurigen Titeln auf den Rücken gedruckt waren. Ein paar waren neue Ausgaben. Die willkürliche Sammlung ging bei ein paar Zeitschriften bis zur letzten Ausgabe. Mehr als ein Dutzend waren aus dem laufenden Jahr. Ein sattes Drittel davon war nach Hubbles Ausscheiden aus der Bank erschienen. Nachdem ihm gekündigt worden war. Es waren Zeitschriften für Banker, aber zu dem Zeitpunkt war Hubble kein Banker mehr gewesen. Und doch hatte er immer noch diese dicken Fachzeitschriften bestellt. Hatte sie weiterhin bezogen. Hatte immer noch dieses komplizierte Zeug gelesen. Warum?
Ich zog ein paar Zeitschriften heraus. Sah mir die Titelblätter an. Es waren dicke Hochglanzmagazine. Ich hielt sie an beiden Enden des Rückens zwischen den Fingern. Sie öffneten sich auf den Seiten, die Hubble gelesen hatte. Ich sah mir diese Seiten genauer an. Zog ein paar weitere Ausgaben heraus. Öffnete sie auf die gleiche Weise. Setzte mich in Hubbles Ledersessel. Saß dort, in mein Handtuch eingewickelt, und las. Ich las mich durch das gesamte Bücherbord. Von links nach rechts, vom Anfang bis zum Ende. Alle Zeitschriften. Ich brauchte eine Stunde dafür.
Dann nahm ich mir die Bücher vor. Ich ließ meinen Finger über die staubige Reihe gleiten. Hielt mit einem kleinen Schock inne, als ich zwei Namen entdeckte, die ich kannte. Kelstein und Bartholomew. Ein großer, alter Band. In rotes Leder gebunden. Ihr Gutachten für den Unterausschuß des Senats. Ich zog es heraus und fing an, es durchzublättern. Es war eine erstaunliche Veröffentlichung. Kelstein
Weitere Kostenlose Bücher