Jack Reacher 01: Größenwahn
Hitze.
Ich ging zur Vordertür und zog die gesplitterte Tür so weit wie möglich zu. Rannte am Bentley vorbei und stieg in den Wagen der Kliner-Stiftung. Fummelte mit dem fremden Schlüssel herum und ließ den Motor an. Fuhr vorsichtig rückwärts die Auffahrt hinunter und schwang in den Beckman Drive ein. Fuhr langsam den Hügel zur Stadt hinunter. Die Scheibenwischer kämpften erbittert gegen den Regen. Ich fuhr das große Viereck mit der Kirche entlang. Bog an dessen Ende nach rechts und steuerte Richtung Süden. Der Ort war menschenleer. Niemand auf der Straße.
Dreihundert Meter südlich von der Grünfläche bog ich in Morrisons Auffahrt ein. Fuhr den Wagen bis zum Haus und stellte ihn neben dem stehengelassenen Lincoln ab. Verschloß die Tür. Lief hinüber zu Morrisons Grenzzaun und schleuderte die Schlüssel weit auf das Feld dahinter. Zog die Jacke fester um meine Schultern und machte mich auf den Weg zurück durch den Regen. Begann, scharf nachzudenken.
Der Samstag war nun schon älter als eine Stunde. Also war Sonntag weniger als einen Tag entfernt. Der grobe Umriß der Sache war klar. Ich wußte drei Dinge ganz sicher. Erstens: Kliner brauchte Spezialpapier. Zweitens: Er bekam es nicht in den Staaten. Aber drittens: Das Lagerhaus war mit irgendwas vollgepackt.
Und die Beschriftung dieser Klimaanlagenverpackung beschäftigte mich. Nicht das Island Air-conditioning, Inc. Nicht das Aufgedruckte. Die andere Beschriftung. Die Seriennummern. Die Schachteln, die ich gesehen hatte, wiesen handgeschriebene Seriennummern in aufgedruckten Rechtecken auf. Ich hatte sie ziemlich deutlich gesehen. Die Cops in Jacksonville hatten dasselbe über die Schachteln in Stollers zu schnellem Truck gesagt. Lange, handgeschriebene Seriennummern. Doch wozu? Die Schachteln waren an sich schon eine gute Tarnung. Es war ein kluger Schachzug, etwas Geheimes in Schachteln für Klimaanlagen nach Florida und weiter zu transportieren. Kein Produkt war plausibler für den Markt da unten. Die Kartons hatten die Cops in Jacksonville getäuscht. Sie hatten nicht weiter darüber nachgedacht. Aber die Seriennummern beschäftigten mich. Wenn keine elektrischen Geräte in den Kartons waren, warum sollte man dann Seriennummern darauf schreiben? Damit wurde die Tarnung unsinnig auf die Spitze getrieben. Was zum Teufel hatten die Seriennummern also zu bedeuten? Was zum Teufel war in den verdammten Kartons gewesen?
Das war die Frage, die ich mir stellte. Am Ende beantwortete Joe sie für mich. Ich ging durch den Regen und dachte daran, was Kelstein über Präzision gesagt hatte. Er hatte gesagt, daß Joe eine sehr bestechende Präzision in der Art und Weise hatte, sich auszudrücken. Ich wußte das. Ich dachte an die ordentliche kleine Liste, die er für sich selbst ausgedruckt hatte. An die ordentlichen Blöcke. Die Reihe mit den Initialen. Die Spalte mit den Telefonnummern. Die beiden Notizen am unteren Rand. Stollers' Garage. Grays Kliner-Akte. Ich mußte die Liste noch einmal überprüfen. Aber plötzlich war ich mir sicher, daß Joe mir sagte, wenn ich wissen wollte, was Kliner in die Kartons getan hatte, sollte ich vielleicht einfach zur Garage der Stollers gehen und einen Blick hineinwerfen.
KAPITEL 27
Als ich Charlie Hubbles Haus wieder erreicht hatte, suchte ich erst einmal in der teuren Küche nach Kaffee. Setzte die gurgelnde Maschine in Gang. Dann öffnete ich den Backofen. Nahm all meine Sachen heraus. Sie waren fast eine Stunde lang der Wärme ausgesetzt gewesen und jetzt knochentrocken. Das Leder auf dem Totschläger und dem Schlüsselring war etwas steif geworden. Aber sonst hatte nichts Schaden genommen. Ich setzte die Pistole wieder zusammen und lud sie. Legte sie auf den Küchentisch. Durchgeladen und gesichert.
Dann wollte ich Joes Computerausdruck noch mal ansehen, um mir die Bestätigung meiner Theorie zu holen. Aber es gab ein Problem. Ein großes Problem. Das Papier war knochentrocken und steif, aber die Schrift war verschwunden. Das Papier war vollkommen leer. Das Wasser des Swimmingpools hatte die ganze Tinte abgewaschen. Es gab noch ein paar verschwommene Flecken, aber ich konnte die Schrift nicht mehr entziffern. Ich zuckte die Achseln. Ich hatte sie schließlich Hunderte von Malen gelesen. Und ich konnte mich auf mein Gedächtnis verlassen.
Als nächstes ging ich in den Keller. Ich fummelte an der Heizung herum, bis sie ansprang. Dann zog ich mich aus und stopfte alle meine Sachen in Charlies Wäschetrockner.
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