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Jack Reacher 01: Größenwahn

Jack Reacher 01: Größenwahn

Titel: Jack Reacher 01: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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gut. Wahrscheinlich hatte er das schon tausendmal in Boston getan. Er besaß Ernst und Würde. Er würde die Nachricht überbringen, die Details unter den Teppich kehren und sie zum Leichenschauhaus fahren, damit sie den Toten identifizierte. Die Leute vom Leichenschauhaus hatten den Körper längst mit dichter Gaze verhüllt, um die entsetzlichen Verletzungen zu verbergen.
    »Werden Sie uns helfen?« fragte Charlie mich.
    Ich beschloß, nicht mit ihr zu warten. Ich beschloß, zum Polizeirevier zu gehen. Die Details über das Wo, das Wann und das Wie herauszufinden. Aber ich würde mit Finlay zurückkommen. Es war meine Schuld, also mußte ich zurückkommen.
    »Sie bleiben hier«, sagte ich. »Sie müssen mir Ihren Wagen leihen, okay?«
    Sie wühlte in ihrer Tasche und zog einen großen Schlüsselbund heraus. Gab ihn mir. Auf dem Autoschlüssel war ein großes ›B‹ eingeprägt. Sie nickte geistesabwesend und blieb, wo sie war. Ich ging hinüber zum Bentley und glitt auf den Fahrersitz. Setzte zurück und fuhr die gewundene Auffahrt hinunter. Glitt ruhig den Beckman Drive entlang. Bog nach links auf die Main Street in Richtung Polizeirevier ab.
    Auf dem Parkplatz standen kreuz und quer Streifenwagen und Zivilfahrzeuge. Ich ließ Charlies Bentley am Bordstein stehen und ging langsam hinein. Im Mannschaftsraum herrschte ein angespanntes Durcheinander. Ich sah Baker, Stevenson, Finlay. Ich sah Roscoe. Ich erkannte das Verstärkungsteam vom Freitag. Morrison war nicht da. Ebensowenig der Innendienstler. Die lange Empfangstheke war verwaist. Alle waren fassungslos. Sie starrten geistesabwesend vor sich hin. Entsetzt. Zerstreut. Niemand sprach mit mir. Sie sahen nur ausdruckslos herüber. Blickten nicht richtig weg, sondern so, als würden sie mich gar nicht sehen. Es herrschte völlige Stille. Schließlich kam Roscoe zu mir herüber. Sie hatte geweint. Preßte ihr Gesicht an meine Brust. Sie war aufgewühlt. Sie legte die Arme um mich und hielt mich fest.
    »Es war grauenhaft«, sagte sie. Mehr nicht.
    Ich brachte sie zu ihrem Schreibtisch und setzte sie hin. Drückte ihre Schulter und ging hinüber zu Finlay. Er saß auf einem Schreibtisch und starrte ausdruckslos vor sich hin. Ich winkte ihn nickend hinüber zum großen Büro im hinteren Teil. Ich mußte alles wissen, und Finlay war der richtige Mann, es mir zu erzählen. Er folgte mir ins Büro. Setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Wo ich am Freitag in Handschellen gesessen hatte. Ich setzte mich hinter den Schreibtisch. Vertauschte Rollen.
    Ich betrachtete ihn eine Weile. Er war wirklich aufgewühlt. Ich wurde innerlich ganz kalt. Hubble mußte in einem grauenhaften Zustand zurückgelassen worden sein, daß Finlay derart reagierte. Er war ein Mann mit zwanzig Jahren Erfahrung in einer großen Stadt. Er mußte alles gesehen haben, was es dort zu sehen gab. Aber jetzt war er wirklich aufgewühlt. Ich saß da und verging vor Scham. Klar, Hubble, hatte ich gesagt, Sie sind in Sicherheit.
    »Also, was ist passiert?«
    Er hob mühsam den Kopf und sah mich an.
    »Was interessiert Sie das?« fragte er. »Was bedeutete er Ihnen?«
    Eine gute Frage. Eine, die ich nicht beantworten konnte. Finlay wußte nicht, was ich über Hubble wußte. Ich hatte kein Wort darüber verloren. Also wußte Finlay nicht, warum Hubble so wichtig für mich war.
    »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
    »Es war ziemlich übel«, sagte er. Mehr nicht.
    Er beunruhigte mich. Mein Bruder war in den Kopf geschossen worden. Zwei große, verheerende Austrittswunden hatten sein Gesicht weggerissen. Dann hatte jemand seinen Körper in einen Haufen Brei verwandelt. Aber Finlay war deswegen nicht zusammengebrochen. Der andere Mann war von Ratten angenagt worden. Es war kein Tropfen Blut in ihm geblieben. Aber Finlay war auch deswegen nicht zusammengebrochen. Hubble war ein Einheimischer, was es ein bißchen schlimmer machte, ich war mir dessen bewußt. Aber am Freitag hatte Finlay noch nicht mal gewußt, wer Hubble war. Und jetzt benahm sich Finlay, als hätte er ein Gespenst gesehen. Also mußte es etwas ziemlich Spektakuläres gewesen sein.
    Was bedeutete, daß irgendein großes Ding in Margrave vor sich ging. Denn etwas Spektakuläres hat keinen Sinn, außer es dient einem ganz bestimmten Zweck. Die Androhung einer Bestrafung soll bei dem Betreffenden selbst wirken. Auf Hubble hatte sie mit Sicherheit gewirkt. Er hatte große Rücksicht darauf genommen. Das ist der Sinn. Aber die

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