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Jack Reacher 01: Größenwahn

Jack Reacher 01: Größenwahn

Titel: Jack Reacher 01: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Dann winkte sie mir vom Parkplatz aus zu. Bedeutete mir, daß es dringend sei. Daß sie zurückkommen werde. Daß ich warten solle. Sie sprang in den Wagen und fuhr los, Richtung Süden. Ich winkte zerstreut hinter ihr her, sah gar nicht richtig hin, weil ich die Kellnerinnen anstarrte. Ich hatte fast aufgehört zu atmen. Ich brauchte Hubble. Und Roscoe hatte mir gerade klargemacht, daß Hubble tot war.

KAPITEL 11

    Ich starrte ausdruckslos zu den beiden Kellnerinnen hinüber. Die eine war vielleicht sieben Zentimeter größer als die andere. Vielleicht sieben, acht Kilo schwerer. Ein paar Jahre älter. Die kleinere Frau sah im Vergleich zu ihr zierlich aus. Besser. Sie hatte längere, hellere Haare. Hübschere Augen hinter den Brillengläsern. Als Paar waren sich die Kellnerinnen oberflächlich gesehen ziemlich ähnlich. Aber nicht gleich. Es gab eine Million Unterschiede zwischen ihnen. Sie waren nicht schwer voneinander zu unterscheiden.
    Ich hatte Roscoe gefragt, welche von beiden für uns zuständig war. Und was hatte sie geantwortet? Sie hatte nicht gesagt: die kleinere oder die mit den längeren Haaren, die hellere oder die dünnere oder die hübschere oder die jüngere. Sie hatte gesagt: die mit der Brille. Die eine trug eine Brille, die andere nicht. Unsere war die mit der Brille. Die Brille war der wichtigste Unterschied zwischen den beiden. Wichtiger als alle anderen Unterschiede. Die anderen waren nur graduell. Größer, schwerer, länger, kürzer, kleiner, hübscher, dunkler, jünger. Die Brille war nichts Unauffälliges. Die eine Frau hatte eine, die andere nicht. Der Unterschied war absolut. Keine Verwechslung möglich. Unsere Kellnerin war die mit der Brille.
    Und das hatte Spivey Freitag nacht gesehen. Spivey war kurz nach zehn in den Empfangsbunker gekommen. Mit einer Flinte und einem Klemmbrett in seinen großen, roten Farmerhänden. Er hatte gefragt, welcher von uns Hubble sei. Ich erinnerte mich an seine hohe Stimme in der Stille des Bunkers. Es gab keinen Grund für seine Frage. Was zum Teufel sollte es Spivey kümmern, wer von uns wer war? Er mußte es nicht wissen. Aber er hatte gefragt. Hubble hatte die Hand gehoben. Spivey hatte ihn mit seinen kleinen Schlangenaugen gemustert. Er hatte gesehen, daß Hubble schmaler, kleiner, leichter, blonder, kahler und jünger war als ich. Aber was war der wichtigste Unterschied? Hubble trug eine Brille. Ich nicht. Die kleine Goldrandbrille. Ein absoluter Unterschied. Spivey hatte in dieser Nacht zu sich selbst gesagt: Hubble ist der mit der Brille.
    Aber am nächsten Morgen war ich der mit der Brille, nicht Hubble. Denn Hubbles Goldrandbrille war von den Red Boys vor unserer Zelle zertreten worden. Die kleine Goldrandbrille war verschwunden. Aber ich hatte einem von ihnen die Sonnenbrille abgenommen, als Trophäe. Hatte sie genommen und dann vergessen. Ich hatte mich gegen das Waschbecken im Waschraum gelehnt und meine wunde Stirn in dem dumpfen Stahlspiegel untersucht. Dabei hatte ich die Sonnenbrille in meiner Tasche bemerkt. Ich hatte sie herausgenommen und aufgesetzt. Sie war nicht dunkel, weil sie nur auf Sonnenlicht reagierte. Sie sah aus wie eine ganz normale Brille. Ich hatte mit der Brille dagestanden, als die Arischen auf Streifzug in den Waschraum kamen. Spivey hatte ihnen nur gesagt: Sucht die Neuen, und legt den mit der Brille um. Sie hatten sich bemüht. Hatten wirklich versucht, Paul Hubble umzubringen.
    Sie hatten mich angegriffen, weil die Beschreibung, die sie bekommen hatte, plötzlich nicht mehr stimmte. Spivey hatte das mit Sicherheit schon vor geraumer Zeit weitergemeldet. Wer auch immer ihn auf Hubble angesetzt hatte, er hatte bestimmt nicht aufgegeben. Sondern einen zweiten Versuch unternommen. Und der zweite Versuch war geglückt. Das gesamte Police Department war zum Beckman Drive beordert worden. Zur Nummer fünfundzwanzig. Denn irgend jemand hatte dort etwas Schreckliches entdeckt. Ein Blutbad. Er war tot. Alle vier waren tot. Gefoltert und abgeschlachtet. Es war meine Schuld. Ich hatte nicht gründlich genug nachgedacht.
    Ich rannte hinüber zur Theke. Sprach mit unserer Kellnerin. Der mit der Brille.
    »Können Sie mir ein Taxi rufen?«
    Der Koch beobachtete uns durch die Küchenluke. Vielleicht war es Eno persönlich. Klein, stämmig, dunkel, kahl. Älter als ich.
    »Nein, können wir nicht«, rief er durch die Luke. »Was glauben Sie, was das hier ist? Ein Hotel? Dies ist nicht das Waldorf-Astoria, Freundchen. Wenn Sie ein

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