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Jack Reacher 01: Größenwahn

Jack Reacher 01: Größenwahn

Titel: Jack Reacher 01: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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würde noch etliche Nächte wie die vergangene geben. Und stille Morgenstunden wie diese. Roscoe hatte sich auf dem großen Ledersitz neben mir zusammengerollt. In Gedanken verloren. Sie sah sehr zufrieden aus. Ich hoffte, daß sie es war.
    Wir fuhren wieder an Warburton vorbei. Das Gefängnis wirkte unter dem Teppich tiefhängenden Nebels wie eine Stadt von Außerirdischen. Wir passierten das kleine Wäldchen, das ich vom Gefängnisbus aus gesehen hatte. Vorbei an den Reihen von Büschen, die jetzt auf den Feldern nicht zu sehen waren. Erreichten die Abzweigung und bogen nach Süden auf die Landstraße ein. An Eno's Diner vorbei, und vorbei am Polizeirevier und der Feuerwehr. Die Main Street hinunter. Wir bogen an der Statue des Mannes, der gutes Land für die Eisenbahn verschwendet hatte, nach links ein. Den Hügel zu Roscoes Haus hinunter. Ich parkte am Bordstein, und wir stiegen aus, gähnten und streckten uns. Wir grinsten uns kurz an. Uns ging es gut. Hand in Hand gingen wir die Einfahrt hinauf.
    Ihre Tür stand offen. Nicht weit, nur einen winzigen Spalt. Sie stand offen, weil das Schloß aufgebrochen worden war. Jemand hatte ein Stemmeisen benutzt. Durch das aufgebrochene Schloß und das gesplitterte Holz ließ sich die Tür nicht mehr schließen. Roscoe schlug sich eine Hand vor den Mund und zog lautlos Luft ein. Ihre Augen waren aufgerissen. Sie glitten von der Tür zu mir.
    Ich nahm sie am Arm und zog sie weg. Wir preßten uns flach gegen das Garagentor. Bückten uns. Blieben eng an die Mauern gedrückt und umrundeten das Haus. Lauschten aufmerksam an jedem Fenster und riskierten es, für einen raschen Blick in jedes Zimmer nach oben zu kommen. Wir kamen zur aufgebrochenen Vordertür zurück. Wir waren ganz naß, weil wir auf dem nassen Boden gekniet und die tropfenden Gartenpflanzen gestreift hatten. Wir standen auf. Sahen einander an und zuckten die Schultern. Drückten die Tür auf und gingen hinein.
    Wir überprüften alles. Es war niemand im Haus. Kein Schaden. Keine Unordnung. Nichts war gestohlen worden. Die Stereoanlage war noch da, der Fernseher war noch da. Roscoe überprüfte ihren Schrank. Der Polizeirevolver steckte noch im Halfter. Sie überprüfte die Schubladen und ihren Schreibtisch. Nichts war angerührt worden. Nichts war durchsucht worden. Nichts fehlte. Wir gingen zurück in den Flur und sahen einander an. Dann bemerkte ich, daß etwas zurückgelassen worden war.
    Die aufgehende Morgensonne drang durch die offene Tür und zog einen flachen Strahl über den Boden. Ich konnte eine Spur von Fußabdrücken auf dem Parkett sehen. Viele Fußabdrücke. Mehrere Leute hatten von der Vordertür bis zum Wohnzimmer ihre Spuren hinterlassen. Sie verschwanden auf dem farbenfrohen Teppich im Wohnzimmer. Erschienen wieder auf dem Holzboden, der ins Schlafzimmer führte. Führten zurück durch das Wohnzimmer bis zur Vordertür. Vier Personen waren aus der regnerischen Nacht gekommen. Ein dünner Film trüben Regenwassers war auf dem Holz getrocknet und hatte schwache Abdrücke hinterlassen. Schwach, aber deutlich Umrissen. Ich konnte mindestens vier Personen ausmachen. Die herein- und wieder hinausgegangen waren. Ich konnte den Verlauf ihrer Schritte sehen. Sie hatten Gummiüberschuhe getragen. Wie man sie im Norden für den Winter kauft.

KAPITEL 16

    Sie waren unseretwegen in der Nacht gekommen, und sie hatten mit einer Menge Blut gerechnet. Sie waren mit ihrer ganzen Ausrüstung gekommen. Ihren Gummiüberschuhen und ihren Nylonoveralls. Ihren Messern, ihrem Hammer, ihrem Sack Nägel. Sie waren gekommen, um uns fertigzumachen, wie sie Morrison und seine Frau fertiggemacht hatten.
    Sie hatten die verbotene Tür aufgestoßen. Sie hatten einen zweiten, fatalen Fehler gemacht. Jetzt waren sie so gut wie tot. Ich würde sie zur Strecke bringen und sie anlächeln, wenn sie starben. Denn der Angriff auf mich war ein zweiter Angriff auf Joe. Er war nicht mehr da, um mir beizustehen. Es war eine zweite Herausforderung. Eine zweite Demütigung. Hier ging es nicht um Selbstverteidigung. Hier ging es darum, Joes Andenken zu ehren.
    Roscoe verfolgte die Fußspuren. Zeigte eine klassische Reaktion. Ableugnen. Vier Männer waren in der Nacht gekommen, um sie abzuschlachten. Sie wußte das, aber sie ignorierte es. Verschloß ihren Geist dagegen. Ging damit um, indem sie nicht damit umging. Kein schlechter Ansatz, aber sie würde schon bald auf den Boden der Tatsachen zurückkommen. Bis dahin verfolgte sie eifrig die

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