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Jack Reacher 09: Sniper

Jack Reacher 09: Sniper

Titel: Jack Reacher 09: Sniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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sich auf einen Ellbogen und musterte Reachers Gesicht. Seine Augen waren unverändert. Vielleicht etwas tiefer in ihren Höhlen liegend, vielleicht mit etwas schwereren Lidern. Aber sie leuchteten noch immer wie blaue Eissplitter unter arktischer Sonne. Wie ein Farbfoto von zwei Gletscherseen in einer hochalpinen Landschaft. Aber ihr Ausdruck hatte sich verändert. Vor vierzehn Jahren waren sie von Sandstürmen gerötet und von bitterem Zynismus erfüllt gewesen. Es waren Soldatenaugen, die Augen eines Cops gewesen. Sie erinnerte sich daran, wie seine Blicke jeden Raum lässig und langsam abgesucht hatten, als wären sie tödliche Leuchtkugeln, die sich auf ein Ziel einschossen. Jetzt erschienen sie ihr klarer. Jünger. Unschuldiger. Er war vierzehn Jahre älter, aber sein Blick wirkte wieder kindlich.
    »Du warst gerade beim Friseur«, stellte sie fest.
    »Heute Morgen«, sagte er. »Für dich.«
    »Für mich?«
    »Gestern habe ich wie ein wilder Mann ausgesehen. Dann erfuhr ich, dass du kommst. Ich wollte nicht, dass du mich für eine Art Landstreicher hältst.«
    »Bist du denn keiner?«
    »Vermutlich schon.«
    »Welche Art?«
    »Die selbstgewählte.«
    »Wir sollten essen«, meinte sie.
    »Klingt gut«, sagte er.
    »Was möchtest du?«
    »Alles, was du magst. Wir teilen dann. Bestell große Portionen.«
    »Du kannst dir gern selbst was bestellen.«
    Er schüttelte den Kopf. »In drei, vier Wochen prüft ein Controller im Verteidigungsministerium deine Spesenabrechnung. Besser für dich, wenn er statt zwei Mahlzeiten nur eine findet.«
    »Machst du dir Sorgen um meinen Ruf?«
    »Ich mach mir Sorgen um deine nächste Beförderung.«
    »Ich habe keine zu erwarten. Über den Brigadegeneral komme ich nicht hinaus.«
    »Aber jetzt ist dieser Petersen dir einen Riesengefallen schuldig.«
    »Zwei Sterne wären cool, das gebe ich zu.«
    »Für mich auch«, sagte Reacher. »Ich bin schon von vielen Zweisternern verarscht worden. Der Gedanke, jetzt einen gevögelt zu haben, macht mir Spaß.«
    Sie verzog das Gesicht.
    »Essen«, sagte Reacher.
    »Ich mag Salate.«
    »Irgendwer muss sie mögen, vermute ich.«
    »Du vielleicht nicht?«
    »Nimm Chicken Caesar als Vorspeise und danach ein Steak. Du kriegst das Hasenfutter, ich nehme das Steak. Außerdem bestellst du irgendeinen großen Nachtisch und eine große Kanne Kaffee.«
    »Ich mag Tee.«
    »Geht nicht«, meinte Reacher. »Auf manche Kompromisse kann ich mich nicht einlassen. Nicht mal fürs Verteidigungsministerium.«
    »Aber ich bin durstig.«
    »Sie servieren Eiswasser zum Essen. Das tun sie immer.«
    »Ich habe den höheren Dienstgrad.«
    »Den hattest du schon immer. Hast du mich deshalb jemals Tee trinken gesehen?«
    Sie schüttelte den Kopf und stand auf. Tappte nackt zum Schreibtisch. Sah in der Speisekarte nach und nahm den Hörer ab. Bestellte Chicken Caesar, das einpfündige Lendensteak und einen großen Apfelkuchen mit Eiscreme. Außerdem eine Kanne mit sechs Tassen Kaffee. Reacher lächelte sie an.
    »Zwanzig Minuten«, sagte sie. »Komm, wir gehen unter die Dusche.«
     
    Raskin hatte die Innenstadt übernommen. Er war zu Fuß unterwegs, hielt das Phantombild in der Hand und hatte eine Liste im Kopf: Restaurants, Bars, Schnellrestaurants, Sandwichläden, Lebensmittelgeschäfte, Hotels. Er begann mit dem Metropole Palace. Das Foyer, die Bar. Kein Glück. Als Nächstes kontrollierte er ein zwei Blocks entferntes Chinarestaurant. Rein und raus, schnell und diskret. Er wusste, dass er sich für diese Art Arbeit ziemlich gut eignete. Er war kein irgendwie auffälliger Typ. Niemand, an den man sich erinnern konnte. Mittelgroß, mittleres Gewicht, Allerweltsgesicht. Bloß eine schemenhafte Gestalt, was in mancher Beziehung frustrierend, aber in anderer ein großer Vorteil war. Die Leute sahen ihn an, aber sie sahen ihn nicht wirklich. Ihr Blick glitt von ihm ab.
    Reacher war nicht in dem Chinarestaurant. Auch nicht im Sandwichladen oder dem Irish Pub. Also blieb Raskin auf dem Gehsteig stehen und beschloss, nach Norden zu gehen. Er konnte erst das Büro der Anwältin kontrollieren und dann zum Marriott weiterlaufen. Wie Linsky ihnen erklärt hatte, waren dort die beiden Frauen zu finden. Und wie Raskin aus Erfahrung wusste, trieben Kerle, die nicht nur schemenhafte Gestalten waren, sich überdurchschnittlich oft mit attraktiven Frauen herum.
    Reacher trat aus der Dusche und lieh sich Huttons Zahnbürste, Zahnpasta und Kamm. Dann frottierte er sich ab, sammelte

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