Jack Reacher 09: Sniper
er.
»Wo?«
»Im Norden der Stadt.«
»Wer beschattet ihn?«
»Raskin. Sie sind auf der Straße unterwegs.«
Der Zec schwieg einen Augenblick.
»Warte, bis er sich irgendwo einrichtet«, sagte er. »Und dann lässt du Tschenko die Cops anrufen. Er hat den richtigen Akzent. Er kann sich als Barkeeper, Hotelangestellter oder so was ausgeben.«
Raskin hielt weiter vierzig Meter Abstand. Er rief Linsky noch mal an und hielt die Verbindung aufrecht. Reacher ging in gleicher Haltung, im gleichen Tempo weiter. Seine unauffällige Kleidung war in der Dunkelheit schlecht zu erkennen. Nacken und Hände waren von der Sonne gebräunt, aber etwas besser sichtbar. Und um einen frischen Haarschnitt zog sich ein heller Hautstreifen, der in der Dunkelheit geisterhaft leuchtete. Raskins Blick fixierte diesen hellen U-förmigen Streifen, der sich bei jedem Schritt, den Reacher machte, hob und senkte. Idiot, dachte Raskin . Er hätte Schuhcreme benutzen müssen. Das hätten wir in Afghanistan gemacht . Dann dachte er: Nicht dass wir jemals Schuhcreme gehabt hätten. Oder anständige Haarschnitte.
Dann blieb er stehen, weil Reacher vierzig Meter vor ihm Halt machte. Raskin wich in einen Schatten zurück als Reacher nach rechts blickte und links abbog: auf eine Querstraße, deren Einmündung hinter einem Gebäude lag.
»Er ist wieder nach Westen unterwegs«, flüsterte Raskin in sein Telefon.
»Ist er noch immer auf dem Weg zur Sport-Bar?«, fragte Linsky.
»Oder zum Motor Court.«
»Beides ist für uns in Ordnung. Schließ etwas auf, damit du ihn nicht aus den Augen verlierst.«
Raskin spurtete zehn, zwölf Schritte weit und wurde vor der Straßenecke langsamer. Er drückte sich an die Mauer des Gebäudes, schob sich nach vorn und spähte um die Ecke. Sein Blick wurde starr. Problem . Aber nicht wegen der Sichtverhältnisse. Die Querstraße war lang, breit, gerade und spärlich beleuchtet. Aber ihr letztes Teilstück wurde durch die Straßenlampen der vierspurigen Ausfallstraße zum State Highway erhellt. Raskin konnte sie also sehr gut überblicken. Das Problem war, dass Reacher nirgends mehr zu sehen war. Er war verschwunden. Völlig.
11
Reacher hatte irgendwo gelesen, Bootsschuhe seien von einem Jachtsegler erfunden worden, der nicht mehr auf nassen Decks ausrutschen wollte. Der Kerl hatte einen gewöhnlichen Sportschuh mit glatten Sohlen genommen und mit einem Rasiermesser feine Rillen in die Sohlen geritzt. Nach einigem Experimentieren war er auf wellenförmige Querrillen mit ziemlich geringem Abstand gekommen. Sie hatten ihren Zweck wie ein sehr feines Reifenprofil erfüllt. Daraus war eine ganze neue Industrie entstanden. Dieser Schuhstil hatte sich von Jachthäfen aus über Strandpromenaden und sommerliche Gehsteige verbreitet. Jetzt waren Bootsschuhe allgegenwärtig. Reacher mochte sie nicht allzu sehr. Sie waren dünn und leicht und nicht sehr strapazierfähig.
Aber sie machten keine Geräusche.
Den Kerl in der Lederjacke hatte er sofort bemerkt, als er aus der Brandschutztür des Marriott getreten war. Es wäre schwierig gewesen, es nicht zu tun. Nur dreißig Meter Entfernung, flacher Winkel, überall gute Beleuchtung durch Natriumdampflampen an Lichtmasten. Er hatte kurz nach links geblickt und den Kerl deutlich wahrgenommen. Hatte seine Reaktion verfolgt. Hatte gesehen, dass er stehen blieb und sich dadurch als Gegner zu erkennen gab. Reacher war erst mal geradeaus gegangen und hatte das auf seiner Netzhaut zurückgebliebene Nachbild analysiert. Was für eine Art Gegner war dieser Mensch? Reacher hatte die Augen geschlossen und sich zwei, drei Schritte weit auf ihn konzentriert.
Ein unauffällig aussehender Weißer, mittelgroß, mittelschwer, rotes Gesicht und blondes Haar, das die Straßenlampen orangerot und gelb leuchten ließen.
Cop oder nicht?
Keiner. Wegen seiner Jacke. Sie war ein unförmiges Ding aus kastanienbraunem Leder. Tagsüber hätte sie eindeutig rotbraun ausgesehen. Und sie besaß eine glänzende Patina. Keine amerikanische Jacke. Nicht einmal aus einem Discountladen, der Lederwaren aus Brandschäden für neunundvierzig Dollar verhökerte. Dies war ein ausländischer Schnitt. Osteuropäisch, genau wie der Zweireiher, den der behinderte alte Kerl auf der Plaza getragen hatte. Nicht mal billig. Nur anders. Russisch, bulgarisch, estnisch, irgendwo aus dieser Ecke.
Also kein Cop.
Reacher lief weiter. Er trat so leise wie möglich auf und horchte auf die Geräusche vierzig Meter
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