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Jack Reacher 09: Sniper

Jack Reacher 09: Sniper

Titel: Jack Reacher 09: Sniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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»Besitz ist erstrebenswert, ist im Leben etwas positiv Gutes.«
    »Abraham Lincoln«, konterte Reacher. »In seiner ersten Rede zur Lage der Nation.«
    In das Holz war ein eiserner Türklopfer – ein Löwenhaupt mit einem Ring im Maul – eingelassen. Helen hob ihn und klopfte damit. Dann entdeckte sie einen diskreten Klingelknopf und drückte auch darauf. Aus dem Hausinneren war kein Laut zu hören. Schwere Tür, dicke Mauern. Sie klingelte nochmals, und bevor sie ihren Finger vom Klingelknopf nehmen konnte, öffnete die Tür sich mit einem leichten Seufzen wie eine Tresortür. Dahinter stand ein Mann mit der Hand auf der Klinke.
    »Ja?«, fragte er. Er war Mitte vierzig, solide, wohlhabend, vermutlich Mitglied eines Golfklubs, vielleicht ein Rotarier. Zu einer Cordsamthose trug er einen gemusterten Pullover. Er gehörte zu den Leuten, die sich beim Nachhausekommen sofort umziehen.
    »Ist Ihre Frau zu Hause?«, fragte Helen. »Wir möchten mit ihr über Oline Archer reden.«
    »Über Oline?«, sagte der Mann. Er sah dabei Ann Yanni an.
    »Ich bin Anwältin«, erklärte Helen.
    »Was gibt’s über Oline zu erzählen?«
    »Vielleicht mehr, als Sie ahnen«, antwortete Yanni.
    »Sie sind keine Anwältin.«
    »Ich bin als Journalistin hier«, sagte Yanni. »Aber nicht wegen einer ergreifenden Story. Nichts Geschmackloses. Es könnte jedoch einen Justizirrtum gegeben haben. Darum geht’s hier.«
    »Einen Justizirrtum in welcher Beziehung?«
    »Unter Umständen ist der falsche Mann als Todesschütze verhaftet worden. Deswegen bin ich hier. Deswegen sind wir alle hier.«
    Reacher ließ den Mann nicht aus den Augen. Er stand da, hielt die Türklinke und versuchte sich zu entscheiden. Zuletzt seufzte er und trat einen Schritt zurück.
    »Dann kommen Sie lieber rein«, sagte er.
    Jeder redet.
    Er führte sie durch die in dezentem Pastellgelb gehaltene Diele in ein Wohnzimmer. Es war geräumig und luxuriös eingerichtet. Sitzmöbel mit Samtbezug, kleine Mahagonitische, ein Marmorkamin. Nirgends ein Fernseher. Dafür gab es vermutlich ein eigenes Zimmer. Einen Hobbyraum oder ein Heimkino. Vielleicht besaßen diese Leute ja auch keinen Fernseher. Reacher sah, dass Ann Yanni versuchte, die Wahrscheinlichkeit dafür abzuschätzen.
    »Ich hole meine Frau«, sagte der Mann.
    Eine Minute später kam er mit einer attraktiven, einige Jahre jüngeren Frau zurück. Sie trug gebügelte Jeans und ein Sweatshirt in dem gleichen Pastellgelb wie der Eingangsbereich. An den Füßen hatte sie weiche Mokassins. Ohne Socken. Ein teurer, lässiger Schnitt ließ ihr Haar locker und leicht windzerzaust wirken. Sie war mittelgroß und auf eine Weise schlank, die von Diätratgebern und vielen Stunden in Aerobic-Kursen zeugte.
    »Worum geht’s also?«, fragte sie.
    »Ted Archer«, antwortete Helen.
    »Ted? Ich dachte, Sie hätten meinem Mann gesagt, Sie seien wegen Oline hier.«
    »Wir glauben, dass es vielleicht einen Zusammenhang gibt. Zwischen seiner Situation und ihrer.«
    »Wie könnte es da einen Zusammenhang geben? Die Sache mit Oline war doch ein Blitz aus heiterem Himmel.«
    »Vielleicht auch nicht.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Wir haben den Verdacht, Oline könnte gezielt ermordet worden sein – gewissermaßen in der durch vier weitere Opfer ausgelösten Verwirrung versteckt.«
    »Wäre das nicht eine Angelegenheit für die Polizei?«
    Helen machte eine Pause. »Die Polizei scheint vorläufig mit dem zufrieden zu sein, was sie hat.«
    Die Frau sah zu ihrem Mann.
    »Dann weiß ich nicht, ob wir darüber reden sollten.«
    »Gar nicht?«, fragte Yanni. »Oder nur nicht mit mir?«
    Reacher lächelte vor sich hin. Klassenbewusstsein.
    »Ich weiß nicht so recht, ob wir ins Fernsehen wollen würden.«
    »Hier geht’s nur um Hintergrundinformationen«, sagte Yanni. »Ob Ihre Namen genannt werden, bleibt allein Ihnen überlassen.«
    Die Frau setzte sich aufs Sofa. Ihr Mann nahm sehr dicht neben ihr Platz. Reacher lächelte wieder in sich hinein. Die beiden hatten unbewusst die Ehepaar-auf-dem-Sofa-Pose eingenommen, die bei Fernsehinterviews Standard war. Zwei Gesichter dicht nebeneinander, ideal für Nahaufnahmen. Yanni verstand diesen Fingerzeig und setzte sich ihnen gegenüber in einen Sessel: auf der Vorderkante hockend, leicht nach vorn geneigt, beide Ellbogen auf den Knien, einen freimütigen offenen Ausdruck im Gesicht. Helen nahm in einem weiteren Sessel Platz. Reacher trat ans Fenster, benützte einen Finger, um die Vorhänge zu

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