Jack Reacher 09: Sniper
verhaften Sie ihn also?«
»Sobald ich ihn finde.«
»Ich rufe Helen an«, sagte Alex Rodin. »Sie wird wissen, wo er ist.«
Rodin belog seine Tochter. Er erzählte ihr, Bellantonio müsse Reacher sprechen, um ein mögliches Missverständnis in Bezug auf das von der Spurensicherung zusammengetragene Belastungsmaterial auszuräumen.
»Worum geht’s speziell?«, fragte Helen.
»Nur um etwas, worüber sie gesprochen haben. Wahrscheinlich keine wichtige Sache, aber ich bin lieber vorsichtig. Ich will dir keinen Revisionsgrund liefern.«
Der Markierungskegel, dachte Helen.
»Er ist zum Flughafen unterwegs«, sagte sie.
»Was will er dort?«
»Eileen Hutton begrüßen.«
»Die beiden kennen sich?«
»Anscheinend.«
»Das ist unethisch.«
»Sich zu kennen?«
»Ihre Aussage zu beeinflussen.«
»Oh, das versucht er bestimmt nicht.«
»Wann kommt er zurück?«
»Nach dem Mittagessen, vermutlich.«
»Okay«, sagte Rodin. »Diese Sache hat keine Eile.«
Aber sie war natürlich brandeilig. Emerson fuhr sofort zum Flughafen. Er hatte zweimal mit Reacher gesprochen und konnte ihn inmitten einer Menge identifizieren. Donna Bianca begleitete ihn. Sie durchquerten einen Sperrbereich und fanden einen Überwachungsraum, von dem aus sie die gesamte Ankunftshalle durch eine Scheibe aus Einwegspiegelglas beobachten konnten. Sie suchten die Gesichter der Wartenden sorgfältig ab. Keine Spur von Reacher. Noch nicht da . Also machten sie’s sich bequem und warteten.
9
Reacher fuhr nicht zum Flughafen. Er wusste es besser. Hohe Offiziere mussten häufig mit Kurierflugzeugen oder Hubschraubern fliegen, und das gefiel ihnen nicht. Außer durch Kampfhandlungen starben mehr Soldaten bei Flugzeugabstürzen als durch irgendeine andere Ursache. Deshalb würde ein cleverer Brigadegeneral wie Eileen Hutton nicht von Indianapolis aus mit einer kleinen Maschine weiterfliegen, wenn es eine andere Möglichkeit gab. Gegen den großen Jet vom Washington National Airport aus hatte sie sicherlich nichts einzuwenden, aber sie würde die letzte Etappe ihrer Reise nicht mit einem Kurzstreckenflugzeug mit zwei Turbo-Prop-Triebwerken zurücklegen wollen. Niemals. Sie würde sich einen Leihwagen nehmen.
Deshalb ging Reacher nach Südosten zur Stadtbibliothek. Fragte die traurige Frau an der Ausgabe nach den Gelben Seiten. Fand sie am angegebenen Ort, zog das Branchenverzeichnis heraus und legte es auf den Tisch. Schlug darin H wie Hotels auf. Ging die Einträge durch. Genau das hatte irgendein Bürohengst im Stab des Chefs des Heeresjustizwesens gestern vermutlich auch getan – aller Wahrscheinlichkeit nach online. Hutton würde ihn angewiesen haben, ein Zimmer für sie zu reservieren. Um sie zufriedenzustellen, hätte er als Erstes einen Blick auf den Stadtplan geworfen und das Gerichtsgebäude und die von Norden hereinkommende Straße herausgesucht. Anschließend würde er ein günstig gelegenes, anständiges Hotel gewählt haben. Eines mit einer Tiefgarage für den Mietwagen. Bevorzugt ein Haus einer Hotelkette, deren Spartarif für Behörden sich mit einem Code buchen ließ.
The Marriott Suites, dachte Reacher. Dorthin ist sie unterwegs . Vom Highway abfahren, weiter nach Süden in Richtung Stadt, an der ersten großen Kreuzung links nach Osten abbiegen, und da stand es auch schon: drei Blocks nördlich des Gerichtsgebäudes, leicht zu Fuß erreichbar, Frühstück inbegriffen. Bestimmt hatte der Bürohengst den Stadtplan aus dem Internet ausgedruckt und ihren Reiseunterlagen beigelegt. Um sie ganz sicher zufriedenzustellen. Diesen Wunsch erweckte Hutton bei vielen Leuten.
Er prägte sich die Telefonnummer des Marriott ein und stellte das Buch zurück. Dann ging er zu dem Münztelefon im Foyer, warf Geld ein und wählte.
»Ich möchte eine Reservierung bestätigen«, sagte er.
»Name?«
»Hutton.«
»Ja, die haben wir. Nur heute Nacht, eine Suite.«
»Danke«, sagte Reacher und hängte ein.
Sie würde früh aus Washington abfliegen. Nach zwei Jahrzehnten in Uniform würde sie um fünf aufstehen, um sechs im Taxi sitzen, um sieben an Bord ihres Flugzeugs gehen. Spätestens um neun würde sie in Indianapolis sein. Ausfahrt von dem Hertz-Parkplatz um halb zehn. Die Fahrt hierher dauerte zweieinhalb Stunden. Also würde sie gegen Mittag eintreffen. In ungefähr einer Stunde.
Er trat ins Freie, überquerte die Plaza und ging bei geringem Fußgängeraufkommen nach Nordosten: am DMV-Gebäude mit dem Rekrutierungsbüro und hinter
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