Jack Ryan 02 - Die Stunde der Patrioten
«Haben Sie genug Indizien, um die These zu stützen?»
«Letztes Jahr hatten wir drei Fälle, in denen uns anonyme Hinweise zu IRA-Leuten führten, die ganz oben auf unserer Liste standen. In keinem der drei fanden wir heraus, wer der Informant gewesen war.»
«Aber wenn die Provisorischen es vermuten - aber lassen wir das. Sie wollen O'Donnell sowieso an den Kragen, aus Rache für all die Männer, die er innerhalb der Organisation beseitigt hat. Meinetwegen, die IRA-Führung in Verlegenheit zu bringen, mag ebenfalls ein Ziel sein - falls O'Donnell versucht, ein paar neue Mitglieder anzuwerben. Aber Sie haben die Möglichkeit bereits verworfen.»
Owens stieß einen leisen Fluch aus. Er sagte häufig, daß polizeiliche Ermittlungen einem Puzzlespiel glichen, bei dem man nicht alle Teile hatte und das Ergebnis nicht kannte. Er war sich dessen bewußt, hatte aber oft Schwierigkeiten, es seinen Untergebenen klarzumachen. Wenn Sean Miller doch bloß nicht befreit worden wäre. Vielleicht hätten sie inzwischen etwas aus ihm herausbekommen. Sein Instinkt sagte ihm, daß irgendeine entscheidende kleine Tatsache Ordnung in den Wust bringen würde, mit dem er sich da abplagte. Ohne diese Tatsache war all das, was er zu wissen glaubte, nicht mehr als Spekulation. Ein Gedanke kehrte immer wieder zurück:
«Dan, wenn Sie die Anführer der IRA politisch in Verlegenheit bringen wollten, was würden Sie tun?»
«Hallo, hier Ryan.»
«Hier Bernice Wilson im Johns Hopkins. Ich soll Ihnen von Ihrer Frau ausrichten, daß sie einen Notfall operieren muß und ungefähr eine halbe Stunde später zu Hause sein wird als sonst.»
«Okay, vielen Dank.» Jack legte auf. Montag, sagte er sich. Er wandte sich wieder den beiden Studenten zu, mit denen er die Semesterreferate diskutierte. Seine Schreibtischuhr zeigte vier. Na ja, er brauchte sich nicht sonderlich zu beeilen.
An Tor drei war Wachablösung. Der Zivilposten hieß Bob Riggs. Die Kälte setzte ihm zu, und er verbrachte möglichst viel Zeit im Wachhäuschen. Er sah nicht, wie sich ein Mann, der Ende dreißig sein mochte, von der entgegengesetzten Ecke der Straße näherte und in einem Hauseingang stehenblieb. Sergeant Tom Cummings von der Marineinfanterie, der gerade einige Formulare prüfte, nachdem er seinen Kameraden abgelöst hatte, sah es auch nicht. Die Akademie war ein ausgezeichneter Posten für den jungen Unteroffizier. Er konnte zu Fuß eine Menge gute Kneipen erreichen, und viele Damen warteten nur darauf, mit einem Marine Bekanntschaft zu machen, aber letzten Endes war der Dienst in Annapolis doch ziemlich langweilig, und Cummings war jung genug, um sich nach ein bißchen action zu sehnen. Es war ein typischer Montag gewesen. Sein Kamerad hatte drei Zettel wegen vorschriftswidrigen Parkens ausgestellt. Er gähnte jetzt schon.
Fünfzehn Meter weiter ging eine ältere Dame zum Eingang des Wohnhauses. Sie war überrascht, als sie dort einen sympathisch wirkenden jungen Mann stehen sah, und stellte ihre Einkaufstasche ab, um nach dem Schlüssel zu kramen.
«Wenn ich Ihnen behilflich sein kann?» fragte er höflich. Er spricht irgendwie komisch, aber er scheint sehr wohlerzogen zu sein, dachte die Dame. Er hielt die Tasche, während sie aufschloß.
«Ich fürchte, ich bin etwas zu früh gekommen. Ich bin hier mit meiner Freundin verabredet», erklärte er mit einem gewinnenden Lächeln. «Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt haben sollte, Madam. Ich habe nur Schutz vor dem eisigen Wind gesucht.»
«Möchten Sie vielleicht drinnen im Foyer warten?» bot sie ihm an.
«Sehr freundlich von Ihnen, aber ich bleibe doch lieber hier draußen. Vielleicht würde ich sie sonst nicht sehen. Es soll nämlich eine kleine Überraschung sein, verstehen Sie?» Er ließ das Messer in seiner Tasche los.
Sergeant Cummings hatte den Papierkrieg beendet und trat nach draußen. Er bemerkte den Mann im Hauseingang erst jetzt. Sieht aus, als ob er auf jemanden wartet und sich vor dem Nordwind schützen will, dachte er. Ganz vernünftig. Er sah auf seine Armbanduhr. Viertel nach vier.
«Ich denke, wir hätten es geschafft», sagte Bernie Katz. Alle im OP lächelten. Es hatte über fünf Stunden gedauert, aber der Junge würde sein Augenlicht behalten. Vielleicht würde noch eine Operation erforderlich sein, und er würde zweifellos den Rest seines Lebens eine Brille tragen müssen, aber das war besser, als nur ein Auge zu haben.
«Nicht schlecht für jemanden, der seit
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